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Der "Krieg" gegen die RAF

Von Von Kurt Groenewold

Gastkommentare
Der Autor: Strafverteidiger in Hamburg. Als RAF-Anwalt wurde er 1975 mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegt.

In der Kunsthalle Wien ist der Zyklus "Die Toten" von Hans-Peter Feldmann zu sehen: 99 Fotos, die ohne Parteinahme Opfer und Täter der Jahre der RAF in Deutschland und im Ausland, 1967 bis 1993, nebeneinander stellen.


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Die deutsche Regierung hatte zu Beginn der 70er Jahre zu einem "Krieg", zu einem "Feldzug" aufgerufen: Dieser Feldzug richtete sich nicht nur gegen politische Straftäter, sondern bereits Anfang 1972, also vor der Festnahme von Andreas Baader und Ulrike Meinhof, auch gegen Intellektuelle wie den Schriftsteller Heinrich Böll, die als "Verharmloser" und "Sympathisanten" bezeichnet wurden, die nach Erklärungen für die Entstehung der RAF suchten. Schließlich richtete er sich gegen die Rechtsanwälte und Verteidiger der Gefangenen. Ziel war, eine feindliche Stimmung gegen diese Gruppen zu erzeugen.

Auch die RAF-Mitglieder sprachen von einem "Krieg". Mit Recht aber wurden sie als Straftäter bezeichnet, allerdings nicht dieser Sprache wegen. Deshalb durfte die deutsche Regierung nur die Regeln der Strafverfolgung anwenden. Darüber ist sie weit hinaus gegangen. Die Sprache des Täters, sei er gewöhnlicher Krimineller oder politischer Straftäter, kann nicht für Sprache oder gar das Verhalten einer am Gesetzesstaat orientierten Regierung Muster sein und übernommen werden.

Die deutsche Regierung hatte im Jahre 1973 die Möglichkeit, den Prozess gegen die RAF ohne hysterische Übertreibung zu führen. Diese Möglichkeit hat sie nicht gewählt, weil sie, wie Generalbundesanwalt Siegfried Buback in einem "Spiegel-Interview" sagte, der Öffentlichkeit das "breite Spektrum der RAF-Aktivitäten" vorführen wollte. Denn soweit es um die Zurechnung von Taten auf einzelne Angeklagte ging, befand die Bundesanwaltschaft sich in Beweisnot.

Deshalb wurde für das Verfahren ein besonderes Gebäude errichtet, es wurden besondere Gesetze geschaffen und die meisten Verteidiger wurden entweder ausgeschlossen oder im Laufe der Hauptverhandlung durch Entpflichtung ausgeschieden.

Der Prozess in Stuttgart-Stammheim bleibt eine Schande für die damalige Regierung und Justiz. Die aktuellen Diskussionen um die Freilassung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar hängen damit zusammen, dass damals die Diskussionen frühzeitig abgetötet werden sollten. Dadurch, dass allein der Begriff "kriminell" oder, wie Jan Philipp Reemtsma kürzlich in der "Zeit" meinte, "die Lust auf Gewalt" als Erklärung für die Taten der RAF dienen sollte. Auf diese Weise sollte und konnte eine Auseinandersetzung mit den Thesen der RAF-Angeklagten, oder gar deren Widerlegung, verhindert werden, zugleich wurde die Diskussion über die Bedingungen des Prozesses und der Haft und über das Verhalten der Gerichte verhindert. Solche Diskussionen werden oft später geführt, wenn sie zur richtigen Zeit unterdrückt werden. Die Diskussion über die NS-Zeit, und insbesondere die NS-Justiz, begann bekanntlich auch erst Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges und sie dauert bis heute.

Die Entscheidung in den Fällen Mohnhaupt und Klar wird in der Sache im allgemeinen politischen Bewusstsein nichts bewegen. Man kann bei dem damaligen Spruch des Gerichts bleiben, man kann auch durch einen Akt der Gnade etwas für den Gefangenen Klar tun. Die Gnade ist, wie man weiß, kein juristischer Begriff. Der Gnadenakt ist ein "freiwilliger" Akt des Staates und der Gesellschaft und wird nicht durch Wohlverhalten, Reue oder dergleichen erkauft. Umgekehrt besteht kein Recht auf Gnade. Der Gnadenakt dient dem gesellschaftlichen Frieden, der vor 30 Jahren nicht nur von der RAF gestört wurde, sondern den der deutsche Staat selbst, indem er sich dem Vokabular seiner Gegner unterwarf, aus dem Gleichgewicht brachte. Eine Diskussion ersetzt den Gnadenakt nicht.