Die FPÖ trifft mit ihrer Kritik an den Sanktionen einen Punkt. Das ist nicht nur für die Regierung brandgefährlich.
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Das Ausmaß, in dem der Krieg um die Ukraine auch in Österreich (wie ebenso in jedem anderen Staat Europas) ausgetragen wird, zeigt sich mit jedem Tag deutlicher. Und anders als zu Beginn befürchtet, sind die Flüchtlinge, die vor der russischen Invasion hier Schutz suchen, dabei die geringste Herausforderung. Es sind die ökonomischen Kosten der Sanktionen gegen das Regime Wladimir Putins, die einen Keil durch das Land treiben.
Vom Konsens der Regierungen, einer Mehrzahl an Experten und auch den meisten Medien sollte man sich dabei nicht täuschen lassen. Beim Dissens könnte es so sein wie bei den im Meer treibenden Eisbergen: Auch deren größerer Teil liegt verborgen unter der Wasseroberfläche. Wer die Kommentare und Debatten zu den redaktionellen Berichten und in den Sozialen Medien verfolgt, kommt nicht umhin, über die tatsächliche Unterstützung der Sanktionen in der Bevölkerung ins Grübeln zu geraten.
Das sicherste Gespür für die Nutzbarmachung solcher Stimmungen hat verlässlich die FPÖ. Herbert Kickl mag sich bei der Kandidatenkür für die Hofburg verdribbelt haben (die Entscheidung soll diesen Mittwoch bekanntgegeben werden), mit seiner Absage an den Sanktionskurs gegen Russland schlicht aus ökonomischem Eigennutz heraus trifft er die Regierung dort, wo es diese am heftigsten schmerzt: "It’s the economy, stupid!" Dieser Satz aus dem Buch der ewigen Kampagnenweisheiten gilt unverändert. Und Kickls Überlegung für eine Volksbefragung zum Thema zeigt, wie viel emotionales Eskalationspotenzial hier noch zu schürfen ist.
Wer das eben deshalb für ein exklusives Problem unserer (und aller anderen) Regierungen hält, irrt gewaltig. Kickl investiert nicht in die ohnehin kaum wahrnehmbare Wirtschaftskompetenz der FPÖ, sondern in deren Positionierung als Vertretung der von Eliten ignorierten oder zum Verstummen gebrachten angeblichen Mehrheit.
Das ist ein Vorwurf, der oft und aggressiv nicht nur gegen die politischen und wirtschaftlichen Eliten, sondern auch gegen die etablierten Medien gewendet wird, um Letztere mit Ersteren in einen Topf zu werfen. Ist diese Strategie erfolgreich, sind diese Medien der wichtigsten Eigenschaft beraubt: ihrer Glaubwürdigkeit als Kontrolleure der Macht, als Garanten für einen öffentlichen Diskussionsraum, der allen relevanten Stimmen Beachtung und Gehör verschafft, und die dabei trotzdem stets nach der Unterscheidung von Richtig und Falsch streben.
Nicht nur für die Regierung steht in diesem Krieg viel auf dem Spiel.