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Der Krisenmeister vom Vorgartenmarkt

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
Dort, wo früher zu Abend gegessen wurde, verkauft Geschäftsführer Josef Stachl nun seine Waren.
© Tatjana Sternisa

Der Feinkostladen "Enoteca Amici Miei" verlor von einem Tag auf den anderen sein Hauptgeschäft, die Bewirtung von Gästen. Ein Jahr später kommen mehr Kunden als je zuvor.


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Es gibt nichts Schlimmeres als ein fades Leben, sagt Josef Stachl immer dann, wenn es im Leben drunter und drüber geht. Ein Satz, wie ein Augenzwinkern, mit dem der Geschäftsführer eines Feinkostladens am Wiener Vorgartenmarkt schon viele Krisen meisterte: Als er seinen Familienbetrieb aufgeben musste, sein Hotel zusperrte, oder als er seinen Job als Oberkellner verlor. Jedes Mal war er am Boden. Jedes Mal musste er wieder von Neuem anfangen. Jedes Mal ist er wieder aufgestanden.

Die Corona-Pandemie machte aber auch den Krisenmeister zunächst ratlos. Enoteca Amici Miei - der Weinladen für meine Freunde, verlor von einem Tag auf den anderen sein Hauptgeschäft, die Bewirtung von Gästen mit Essen und Trinken. "Das war ein Wahnsinn", erinnert sich Stachl. "Es war plötzlich aus mit der Gastro. Und was machen wir jetzt?" Bevor er darauf eine richtige Antwort fand, improvisierte er. Mit Erfolg. Heute hat er mehr Kunden als vor der Pandemie.

Vitrine statt Sesseln

An Zusperren dachte Stachl in keinem Moment. Nach dem Gastro-Verbot entfernte er die Tische und Sesseln, die vor seinem Laden standen und ersetzte sie mit Holzfässern, Vitrinen und Olivenbäumen. "Ich habe einfach probiert, und einen Teil der Waren von drinnen nach draußen verlagert", sagt Stachl. "Vielleicht wollen die Menschen ja die Ware mitnehmen."

Er erweiterte nach und nach das Sortiment seiner Weine, Süßigkeiten, Fleisch- und Käsesorten. Besonders beliebt sind seine Viertel-Literflaschen Sauvignon Blanc. "Die Kunden kaufen sich ein Flascherl, suchen ein Bankerl und genießen es dort", sagt Stachl. Neu sind auch die Drei-Literflaschen Grüner Veltliner, Aperol oder Averna - "für Feste, die irgendwann wieder gefeiert werden können."

Der Vorgartenmarkt liegt inmitten einer Wohngegend im 2. Bezirk. Viele Anrainer sattelten während der Corona-Krise auf Homeoffice um. Und Stachl passte sich an. Süßes Kleingebäck wie neapolitanische Sfogliatella, italienischer Kuchen Colomba und Kaffee für das Frühstück, geräucherter Proscuttio aus Sauris, Oro Rosso Schimmelkäse, eingelegt in Rotwein und kandierten Früchten, für zwischendurch.

Auch Kochrezepte gibt Stachl gerne weiter. "Die Österreicher sind ja Feinschmecker", sagt er. Eine Carbonara ohne den luftgeräucherten Speck Guanciale sei für viele undenkbar. Stachl empfiehlt den Speck nicht in Würfel, sondern in Streifen zu schneiden. Sein Geheimtipp: Am Ende noch etwas Zitronenschale über das Gericht reiben.

"Man muss den Menschen schon etwas bieten", sagt er. "Wer nicht freundlich ist und keine gute Ware hat, darf sich nicht wundern, wenn niemand kommt."

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