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Der "Kurier" ist keine "Krone"

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Die zwei "Mediaprint"-Massenzeitungen gehen innen- und europapolitisch konträre Wege. "Kurier"-Chef Kontanko schärft das Profil seiner Zeitung.


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Der "Kurier" nützt die Affäre um den "Leserbrief" der SPÖ-Spitzenpolitiker Alfred Gusenbauer und Werner Faymann an die "Kronenzeitung", die Marke "Kurier" in helles Licht zu tauchen.

Mit dem Licht ist das auch in den Medien immer so ein Gfrett. Einen Gentleman erkennt man weniger an dem, was er tut, als an dem, was er nicht tut. Aber das kapieren nur die, die wissen, was ein Gentleman ist. Weshalb es durchaus nicht zum Allgemeinwissen gehört, dass der "Kurier" mit einer Auflage um die 170.000 und den von der aktuellen Media-Analyse hochgerechneten 624.000 Leserkontakten ein beachtliches Publikum erreicht, ohne journalistisch im Trüben zu fischen.

Es gab auch schon andere "Kurier"-Zeiten, und auch die Auflage war weit höher, als es die "Krone" noch nicht gab. Dass der "Kurier" 1988 durch großräumige Marktveränderungen mit der "Kronenzeitung" in der "Mediaprint" zusammengespannt wurde, ist ein Schicksal.

Die journalistische Freiheit hat der "Kurier" bewahrt. Chefredakteur Christoph Kotanko ließ dieselbe am vergangenen Donnerstag in einem Leitartikel heraus, indem er Gusenbauer und Faymann vorwarf, den Wahlkampf mit einem "bewussten Regelverstoß aus niederen Motiven" zu eröffnen - mit einem Leserbrief an die "Krone". "Noch nie gab es einen Wahlkampf, in dem die größte Zeitung so klar Partei war. ÖVP-Politiker werden abgekanzelt, SPÖ-Faymann wird seit Langem hochgejubelt. Umfragen deuten an, dass die bundesweite Kampagnefähigkeit der Krone überschätzt wurde."

Parallel dazu watschte die "Krone" der Reihe nach ab: Außenministerin Ursula Plassnik, EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner ("Rücktritt fällig!"), am Sonntag noch einmal Plassnik und im Spottgedicht alle miteinander, nämlich Kdolsky, Schüssel und Molterer dazu. Die good guys sind gemischter Herkunft: Faymann (immer), Helmut Zilk, Teddy Kollek, Fritz Dinkhauser, Josef Pröll, und seit seinem Saulus-Erlebnis in Sachen EU auch wieder Gusenbauer.

Man kann Herausgeber nicht hindern, in der eigenen Zeitung zu schreiben. Dichand ist Journalist. Aber sein Triumph, die SPÖ auf den "Krone"-Hochsitz im Blätterwald gelockt zu haben, macht den parteipolitisch-medialen Gipfel zum höllenfürstlichen Rendezvous. Der 87-jährige Dichand erzeugt den Eindruck, er sei der erste innenpolitische Journalist des Landes, zumal selbst der Bundespräsident die "Krone" in die Pressestunde mitbringt. Wehe einer Partei, die ohne "Krone"-Rückenwind in den Wahlkampf zieht.

Was "Krone" und SPÖ mit der Europapolitik aufführen, tangiert auch die deutsche WAZ-Gruppe. Niemand kann eine Einmischung der WAZ in die "Krone"-Redaktion oder gar österreichische Verhältnisse wünschen. Andererseits, es geht im Fall "Krone" nicht nur um Redaktionelles, sondern um Blattpolitik der Eigentümer, und die sind je zur Hälfte Dichand und WAZ. Die WAZ-Blätter sind in Deutschland und Osteuropa pro-europäisch gesinnt. Über den "Krone"-Parforceritt gegen Brüssel wird geschwiegen.

Der "Kurier"-Chef zieht sich gelassen auf journalistische Unabhängigkeit im Rahmen der "Service-Tochter Mediaprint für Vertriebsangelegenheiten und Anzeigen" (© Kotanko) zurück: "Es gibt kaum ein Thema, bei dem Kurier und Krone auf einer Linie sind. Das ist eine Selbstverständlichkeit und kein Hausfriedensbruch. Kampagnenjournalismus, Parteilichkeit und redaktionelle Wahlwerbung für einen Spitzenkandidaten lehne ich entschieden ab."

Solche Sachen macht nämlich ein Gentleman nicht.