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Der Kuss auf die kalte Schulter

Von Arian Faal

Politik

Schauprozesse gegen Demonstranten fortgesetzt. | Irritierende Foltergeständisse. | Teheran/Wien. Irans oberster Führer Ali Khamenei hat Mahmoud Ahmadinejad ungeachtet der heftigen Proteste gegen dessen umstrittene Wiederwahl am Montag in einer trockenen Zeremonie offiziell als Präsident bestätigt. Das Verhältnis zwischen den beiden erzkonservativen Vertretern des Gottesstaates, die in der vergangenen Woche einen offenen Disput über die Bestellung des mittlerweile zurückgetretenen Vizepräsidenten Esfandiar Rahim Mashaei führten, ist sichtlich angespannt.


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Als Ahmadinejad Khamenei - wie schon bei der Angelobung 2005 - die Hand küssen wollte, wich dieser zurück und erlaubte ihm, nach einem kurzen Wortwechsel, seine Schulter zu küssen. Die Mimik des ebenfalls anwesenden neokonservativen Parlamentspräsidenten Ali Larijani, einer der heftigsten Kritiker Ahmadinejads, verriet, dass er gute Miene zum bösen Spiel machte. Die Feierlichkeiten wurden nicht im Fernsehen gezeigt, da die Hardliner vermeiden wollten, dass die Zuschauer mitbekommen, dass die Feier von vielen Geistlichen und Politikern boykottiert wurde. So fehlten neben den Oppositionsführern Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi auch die beiden Expräsidenten Mohammad Khatami und Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, der als Irans zweitmächtigster Mann Vorsitzender des Experten- und Schlichtungsrates ist. Rafsanjani hält die Wiederwahl des Präsidenten für ungültig. Dass er gerade an diesem Tag verreist war, ist als Affront gegen die Führung zu deuten.

Reumütige Angeklagte

Offiziell vereidigt wird der Staatschef für seine zweite vierjährige Amtszeit am Mittwoch im Parlament. Vertreter der EU-Kommission in Brüssel werden an der Veranstaltung nicht teilnehmen. Die Kommission nehme das Wahlergebnis zwar zur Kenntnis, bleibe aber bei ihrer Forderung, dass der Iran die Menschenrechte einzuhalten habe, sagte ein Sprecher.

Von solchen Zwischenrufen aus dem Ausland hält man im Iran aber nichts. So ist es kein Zufall ist, dass die Schauprozesse gegen rund hundert Häftlinge, die bei den Protesten seit der Wahl am 12. Juni inhaftiert wurden, seit Samstag voll im Gange sind.

Unter der Devise "Bereue, um zu überleben" haben viele Inhaftierte, darunter Politiker wie Ex-Vizepräsident Mohammad Ali Abtahi Geständnisse abgelegt und ihre Aussagen über einen Wahlbetrug widerrufen. Abtahis Aussagen lösten Betroffenheit und Ungläubigkeit aus. Der sichtlich abgemagerte und gezeichnete Ex-Politiker bezeichnete die Wahl als "nicht gefälscht". Seine Tochter sagte, sie erkenne ihren Vater nicht wieder; er sei unter Drogen gesetzt worden und hätte "wie nach einer Gehirnwäsche gewirkt". Auch der Publizist Mohammad Atrianfar zeigte sich reumütig und meinte, die Proteste hätten den "Feinden Irans" gedient. Moussavi warf dem Regime "mittelalterliche Foltermethoden" vor; die Oppositionsbewegung sei in keinem Moment aus dem Ausland gesteuert worden sei. Expräsident Mohammad Khatami bezeichnete den Prozess als "verfassungswidrige Show". Die Angeklagten seien vom bevorstehenden Verfahren nicht informiert gewesen und hätten keinen Zugang zu Verteidigern gehabt. Ihre Aussagen seien unter Zwang zustande gekommen. Die Urteile werden in den nächsten Tagen erwartet.

Unterdessen gingen am Montag nur wenige Stunden nach der offiziellen Bestätigung der Wiederwahl Ahmadinejads wieder tausende Iraner auf die Straße, um gegen das Wahlergebnis zu protestieren.