Kreditkartenfirmen setzen auf neue Technologien. | Ersetzt das Handy bald die Brieftasche? | London/Wien. Das Ende des traditionellen Klingelbeutels hat Pfarrer Anders Goranzon schon vor knapp zehn Jahren vorausgesehen. Deshalb hat er bereits damals eine Bankomatkassa in seiner Kirche im schwedischen Aneby installiert. Hierzulande müssen Geistliche hingegen wohl noch länger nicht befürchten, dass ihre Schäfchen so ganz ohne Kleingeld in der Tasche den Kirchgang antreten. Allerdings gilt Österreich - im Gegensatz zu Skandinavien - auch eher als Nachzügler, was die allgemeine Akzeptanz von Plastikgeld angeht.
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Glaubt man den Kreditkarten-Firmen, so hat der Abschied vom Bargeld praktisch schon begonnen. Derzeit würde rund ein Viertel aller Zahlungen in Europa per Karte abgewickelt, erklärt Mark Antipof, Vizepräsident bei Visa Europe. In weniger als zehn Jahren sollen es fünfzig Prozent sein. Antipof geht mit dem Bargeld hart ins Gericht: Hinter den Scheinen und Münzen würden sich - hervorgerufen etwa durch Herstellung und Transport - volkswirtschaftliche Kosten von 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verbergen. Diese könnten entfallen, würde der gesamte Zahlungsverkehr via Bankomat- und Kreditkarten abgewickelt.
Um dieses Ziel zu erreichen, lassen sich die Kartenfirmen einiges einfallen. Schließlich sei, so Antipof, eine gewisse "Verhaltensänderung" in der Bevölkerung notwendig. Neue Technologien sollen dabei helfen, eine derartige Umstellung anzustoßen.
"Kontaktlos" zahlen
Sowohl Visa als auch deren größte Konkurrentin, Mastercard, basteln an Lösungen, die das Zahlen mit Karte vereinfachen und beschleunigen sollen. Hintergedanke dabei: Größere Beträge, für deren Bezahlung heute schon gerne Plastik gezückt wird, machen nur einen relativ geringen Teil aller Transaktionen aus.
Will man Konsumenten den Umgang mit Bargeld wirklich abgewöhnen, muss man sie dazu bringen, auch die vielen kleinen, alltäglichen Ausgaben per Karte zu tätigen. Einziges Problem: Der Bezahlvorgang darf nicht langsamer und komplizierter sein als mit Cash.
Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt "kontaktlos": Es ist technisch kein Problem, eine Art kleine Antenne in eine Kredit- oder Bankomatkarte zu integrieren, die bei der Kassa dann einfach vor einen Sensor gehalten werden muss. In weniger als einer Sekunde ist die Transaktion abgewickelt. Visa Europe beginnt bereits mit dem kommerziellen Einsatz dieser Technologie.
Nur Bares auf Fan-Meile
So ist es zum Beispiel in London möglich, auf diese Weise innerhalb eines Wimpernschlags die U-Bahn-Fahrt zu bezahlen.
Etwas länger dürfte es noch dauern, bis das Handy der Geldbörse Konkurrenz macht: Einerseits kann das Mobiltelefon - genau wie eine Karte - mit einem Funk-Chip ausgestattet werden, andererseits sollen in Zukunft auch Überweisungen und Online-Zahlungen via Handy erfolgen. Experten sehen hier bei der Umsetzung allerdings noch zahlreiche Herausforderungen.
Für Österreich scheint dies ohnehin nur leise Zukunftsmusik zu sein. Fast symptomatisch wirkt, dass - obwohl Mastercard Hauptsponsor der Fußball-EM ist - bei den Gastronomie-Ständen in der Wiener Fan-Meile nicht einmal Bankomat-Zahlungen möglich sein werden. Begründung: Das würde zu lange dauern.
Zumindest für hungrige und durstige Fußball-Fans gilt also bis auf weiteres, dass hierzulande oft nur Bares Wahres ist.