Analyse: Am Jobmarkt ist versprochene Trendwende zu Ende. Die Regierung sollte ihre Werkzeugkiste rasch überprüfen.
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Wien. Die Trendwende. Das Fünkchen Hoffnung in Berichten über die Arbeitslosigkeit. Diese steigt seit 2010 an. Die monatliche Hiobsbotschaft konnten Sozialminister Rudolf Hundstorfer oder AMS-Chef Johannes Kopf durch das Versprechen einer Trendwende aufhellen. Anfang 2014 setzte Hundstorfer die Trendwende mit Jänner 2015 an. Kopf gab sich skeptischer und hielt Mitte 2015 damals für zumindest "möglich".
Die Trendwende ist zu Ende. Auf Anfrage im Sozialministerium heißt es nur noch: "2015 wird ein schwieriges Jahr für den Arbeitsmarkt." Selbst für 2016 will man die Trendwende nicht mehr versprechen. Alles offen. AMS-Kopf sieht "aus heutiger Sicht keinerlei Rückgang 2015 und 2016". Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) spricht von mehreren "schwierigen Jahren". 400.000 ohne Job. Zweimal Linz. Tendenz steigend.
Nimmt Politik Fahrt auf?
Die Wirtschaft ist in sich zusammengefallen wie ein Segel ohne Wind. Gleichzeitig strömen jährlich mehr Menschen neu auf den Arbeitsmarkt und reißen sich um die Jobs. Für starke Impulse, um die Konjunktur in Fahrt zu bringen, fehlt dem Staat das Geld. Die Krise, die Österreich nach Ausbruch 2008 zunächst gut parierte, beißt sich gerade fest.
Die geänderten Aussichten stellen auch den General-Fahrplan der Regierung infrage. Der sieht eine Steuerreform für 2015 und keine neuen Schulden bis 2016 vor. Der Plan wurde vor der großen Stagnation geschmiedet. Doch diese zehrt nun mehrfach am Staatssäckel der Republik - weil die Ausgaben für Arbeitslose steigen und die Einnahmen aus Umsatzsteuer, Betriebssteuern oder Lohnsteuern sinken. Die Steuerreform würde weitere fünf Milliarden kosten.
Vermögenssteuern tröpfeln
Selbst wenn die SPÖ es gegen den Widerstand der ÖVP schafft, zur Finanzierung der niedrigeren Lohnsteuer Vermögenssteuern einzuheben, geht die Rechnung schwer auf. Denn bis etwa eine Erbschaftssteuer im vollen Ausmaß sprudelt, dauert es Jahre.
Die Regierung muss sich früher oder später der Frage stellen, ob sie sich anderen Ländern in der EU anschließt und auf die EU-Vorschriften pfeift; die schreiben Österreich das Nulldefizit 2016 vor. Oder man sagt die Steuerreform ab und buttert mehr Geld in Konjunkturprogramme wie thermische Sanierung, Wohnbau, Schulneubauten. Laut Wifo-Mahringer sorgt das rascher für mehr Jobs als eine Steuerreform. Denn das Geld, das durch gesenkte Steuern im Börsel bleibt, kann in unsicheren Zeiten auch aufs Sparbuch oder über Importwaren ins Ausland fließen.
Eine Debatte über die besten Konjunkturimpulse in Zeiten der Dauerstagnation ist auch wegen der historisch niedrigen Zinsen für die Finanzierung vakant. Doch die Regierung hat ihr Schicksal unter der Devise - Steuersenkung oder Neuwahlen - bereits schicksalhaft mit der Steuerreform verknüpft. Für den Steuer-Streit geht die gesamte Energie drauf.
Dabei hängen weitere -für den Jobmarkt relevante Projekte - in der Luft: das Bonus-Malus-System für Firmen etwa. Es soll Betriebe unter Strafe zu mehr älteren Mitarbeitern verpflichten. Mit 13 Prozent steigt die Zahl von Arbeitslosen über 50 Jahren jetzt schon deutlicher an. Wegen des Vetos der Wirtschaftskammer (WKÖ) liegt der Bonus-Malus auf Eis. Ein konkretes Modell gibt es nicht. Die WKÖ setzt auf die Selbstverpflichtung der Betriebe. Kopf, Mahringer und die Wifo-Pensionsexpertin halten die Bonus-Malus-Idee aber für sinnvoll. Zuletzt hat sich ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz im "Kurier" erneut dafür ausgesprochen. Für ihn die logische Konsequenz, wenn Menschen später in Pension gehen.
"Die Lage der Älteren verschlechtert sich nicht stärker als allgemein", sagt Kopf. Denn mit 40.000 Personen steigt auch die Zahl der Beschäftigten über 50 besonders stark. Die Demografie führt hier Regie. Aber wenn einmal gekündigt, finden sie schwerer wieder Arbeit. 120 Millionen an Eingliederungsbeihilfen sollen helfen - greifen aber oft zu spät.
Ebenfalls auf Eis liegt ein vernünftiges Gesetzespaket, das mehr Urlaub und im Gegenzug flexiblere Arbeitszeiten (12 Stunden-Tag) vorsieht. Die Debatte, Arbeitslosen bei der Jobsuche längere Wegstrecken zuzumuten, kam gar nicht erst richtig auf.
Paradigmenwechsel?
All diese Themen verhandelte die Sozialpartnerschaft aus Gewerkschaftsbund (ÖGB) und Wirtschaftskammer (WKÖ) stellvertretend für die Regierung - bis jetzt ergebnislos. Ihre Einigkeit war mit ein Grund, warum Österreich besser durch die erste Phase der Krise kam. In der zweiten, noch heftigeren Phase, droht sich die Sozialpartnerschaft an der Steuerreform zu zerreiben und andere Themen zu vergessen. Das wäre dann die wahre Trendwende.