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Der lange Schatten

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Werner Faymann musste sich den unseligen Leserbrief zum Thema EU an die "Kronen Zeitung" (noch zu Lebzeiten des "alten Dichand") am Dienstag vor dem EU-Parlament sogar vom deutschen Konservativen Brok vorhalten lassen. Ja, Politik ist ein hartes Geschäft, Vorurteile abzulegen auch. Das Interessante an Faymanns Auftritt war aber weniger, was er sagte, sondern was daraus gemacht wird.

Der Kanzler sprach sich für ein starkes EU-Budget aus, das für Investitionen, Bildung, Forschung genutzt wird. Das tat er davor auch. Er sprach sich für gemeinschaftliche Lösungen aus, vielleicht noch einen Dreh mehr als früher. Die unterschiedlichen Zinssätze zu beklagen, kann nur bedeuten, wenigstens in der Euro-Zone eine gemeinsame Schuldenagentur zu etablieren ("Eurobonds").

Die Forderung, Rabatte gegen EU-Beschäftigungsprogramme zu tauschen, ist kühn - vor allem innenpolitisch. Die FPÖ wird ihm vorrechnen, dass er damit 170 Millionen Euro Beitragszahlungen "preisgibt". Und auch das Team Stronach wird damit wohl herumgehen.

Aber Faymann hat damit zweierlei geschafft. Erstens ist er es, der die Themen vorgibt; und zweitens hat er die Wirtschaft auf seiner Seite: Nur wer investiert, kann Ertrag erwirtschaften, oder: Nur wer sät, kann ernten. Wenn alle Budgets sparen, ist es notwendig, im EU-Budget ein offensives Programm zu fahren. Nur so lässt sich die Industrie in Europa halten.

Politisch wird seine Rede wohl vor allem gegen die am Freitag anstehende Rede von David Cameron gestellt werden. Das ist für ein Land wie Österreich ehrenhaft, aber dabei geht es vor allem um die Inhalte: Faymann präsentiert sich als EU-Regierungschef explizit als Anti-These zum euro-populistischen britischen Premier. Das hätte auch der französische Staatspräsident Hollande machen können, aber die Wirtschaftsdaten Frankreichs sind viel zu schlecht dafür. Österreichs Daten sind deutlich besser als jene des Vereinigten Königreichs, das verleiht Faymann zusätzliche Glaubwürdigkeit.

Es ist zu vermuten, dass dies auch der deutschen Kanzlerin Merkel gut gefällt, die vermutlich eine ähnliche Abneigung gegen Cameron hegt, aber als Parteikollegin nicht so deutlich gegen ihn Stellung beziehen will. Alles in allem: Österreich ist zurück auf der europäischen Bühne. Und das ist wirklich gut so.