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Seit 1823 sind die Europäer politisch wie wirtschaftlich aus Amerika ausgesperrt. Das gilt, so scheint es, auch für Fußball-Weltmeisterschaften.
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Wir halten fest. Nach zwei Runden in der WM-Gruppenphase haben sich sechs Nationen fix für das Achtelfinale qualifiziert, allerdings sind mit den Niederlanden und Belgien nur zwei europäische Teams darunter. Die übrigen - Costa Rica, Chile, Kolumbien und Argentinien - kommen alle aus Lateinamerika. Und am Montag wurden es noch mehr: Brasilien kam programmgemäß mit einem 4:1-Sieg gegen Kamerun weiter, auch Mexiko zog nach einem 3:1 über Kroatien in die nächste Runde ein.
Chancen, es ihnen gleich zu tun und in die K.o.-Phase nachzurücken - und zwar auf Kosten Italiens -, hat auch Uruguay. Zumindest war das, was die Südamerikaner in der Partie gegen England zeigten, um einiges vielversprechender als die peinliche 0:1-Niederlage der Azzurri gegen den gar nicht mehr so kleinen Fußball-Zwerg Costa Rica. Auch den USA genügt für den Verbleib im Turnier ein Remis gegen Deutschland - wobei diese Partie durch die beiden Trainer, Jürgen Klinsmann und dessen ehemaligen Assistenten Joachim Löw besondere Brisanz hat. Einzig Ecuador hilft am Mittwoch gegen Frankreich nur ein Wunder.
Und die Europäer? Die sind derzeit eher am Ende der Gruppentabellen zu finden. Neben großen Kalibern wie Spanien, Portugal, England und Ex-Europameister Griechenland haben auch WM-Neuling Bosnien-Herzegowina und der WM-Gastgeber für 2018, Russland, in Brasilien einen unerwartet schwachen Start hingelegt. Womit eigentlich für die K.o.-Phase nur vier europäische Nationen relativ fix übrig bleiben: Neben den bereits qualifizierten Niederländern und Belgiern sind dies die Franzosen und Deutschen. Um ihr Leiberl kämpfen müssen hingegen noch Italien und die Schweiz.
Gilt am Ende das, was US-Präsident James Monroe (1758-1831) vor bald 200 Jahren den europäischen Ex-Kolonialmächten mit Blick auf ihre politischen und ökonomischen Einmischungen in der Neuen Welt ausrichten ließ ("Amerika den Amerikanern"), nun auch für diese Fußball-WM? Die Monroe-Doktrin als Damoklesschwert für Europas Ballkünstler? Die Vermutung liegt nahe. Immerhin ist es bisher noch keiner europäischen Mannschaft gelungen, eine auf amerikanischem Boden ausgetragene WM für sich zu entscheiden. Sämtliche Turniere - Uruguay 1930, Brasilien 1950, Chile 1962, Mexiko 1970 und 1986, Argentinien 1978 und USA 1994 - sahen mit Brasilien (3x), Uruguay (2x) und Argentinien (2x) ohne Ausnahme südamerikanische Gewinner. Und die Chancen sind wohl intakt, dass auch bei der WM 2014 ein Lokalmatador das Rennen machen wird.
In Beantwortung der Frage, warum sich die Europäer in der Neuen Welt offensichtlich so schwer tun, bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten an: der klassische Heimvorteil und das zum Teil tropische Klima mit seiner hohen Luftfeuchtigkeit. Und daran haben nicht nur die Europäer zu kiefeln. Wer zum Beispiel gesehen hat, wie sich zuletzt Deutschland und Ghana im 30 Grad heißen Fortaleza bis an den Rand der Erschöpfung kickten, weiß warum. Dem Turnier tat und tut das alles keinen Abbruch. Tatsächlich wird diese WM als eine der spannendsten in die Geschichte eingehen. Der alte Monroe hätte an seinen braven Amerikanern seine Freude gehabt.