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Der Tag nach der überraschend siegreichen Wahl für die SPÖ galt in der roten Parteizentrale der Freude. Aber allzu lange wird man sich den Feier-Stunden nicht hingeben können. Schon heute sind SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer und ÖVP-Obmann Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bei Bundespräsident Heinz Fischer. Nicht gemeinsam allerdings, sondern hintereinander.
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Schüssel wird dem Staatsoberhaupt, wie nach Wahlen üblich, den Rücktritt der Regierung anbieten. Dieser wird ihn, auch wie üblich, annehmen und Schüssel und dessen Regierungsmannschaft gleichzeitig mit der Fortführung der Geschäfte betrauen. Das sichert eine Regierung bis zu dem Zeitpunkt, da eine neue gebildet werden kann.
Dass Fischer den Sieger mit der Führung von Gesprächen zur Regierungsbildung beauftragen wird, gilt als sicher, aber frühestens nach Abschluss der Auszählung aller noch fehlenden 242.000 Wahlkarten, also Anfang kommender Woche.
Gusenbauer hat ja noch am Wahlabend den Anspruch auf den Bundeskanzler gestellt. "Sie kennen meine Meinung, die stärkste Partei soll in Österreich den Bundeskanzler stellen." Das ist leichter gesagt als getan. Denn tatsächlich gibt es derzeit nur eine Koalitionsoption für die SPÖ, nämlich die ÖVP. Sollte sich Rot-Grün nach Auszählung der Wahlkarten ausgehen, was sehr unwahrscheinlich ist, hätte Gusenbauer zumindest ein theoretisches Atout im Ärmel. Denn eine wirkliche Alternative ist eine Regierung mit einer Mehrheit von nur einem oder zwei Mandaten nicht. Damit könnte jeder einzelne Abgeordnete eine Partei vor Abstimmungen in Geiselhaft nehmen und Interessen durchzusetzen versuchen.
Andererseits hört man aber auch, dass schon am Sonntag Abend schwarze Rechtsverbinder beim Fest der FPÖ im Restaurant Adam gesichtet worden sein sollen. Und dass es schwarz-orange Kontakte auch nach dem am Ende doch sehr kontroversiell geführten Wahlkampf gibt, ist bekannt. Obwohl die ÖVP nur vier Jahre lang die Nase vor der SPÖ hatte, könnte es Schüssel mit einem Streich ein drittes Mal gelingen, eine Regierung ohne die Sozialdemokraten zu bilden. Das hängt aber nach dem Wahlausgang nicht mehr alleine von Schüssel ab. In Wien ist die schwarze Obmanndebatte schon ausgebrochen. Sollte Schüssel dieses Experiment wagen, wird es auch in der Bundespartei nicht lange dauern und die Position Schüssels wäre höchst umstritten. Der ÖVP könnte nämlich bei Schwarz-Blau-Orange eine Zerreißprobe drohen. Das werden Teile der Partei zu verhindern suchen.
Bleibt also aller Voraussicht nach eine große Koalition. Ob diese aber wie von der SPÖ angekündigt, schon vor Weihnachten gebildet sein wird, ist fraglich. Allzu viele Hindernisse - Stichwort Eurofighter - stehen im Raum. In den roten Couloirs des Parlaments munkelt man sogar schon darüber, dass es die ÖVP auf Neuwahlen anlegen könnte.