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Unter 12-jährige Kinder werden wohl erst ab Jahreswechsel im großen Stil gegen Corona geimpft werden können. Ohne diese Altersgruppe wird es aber schwierig mit der Herdenimmunität.
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Demonstrativ aufs Tempo hatte Joe Biden von Anfang an gedrückt. Hundert Millionen Impfungen innerhalb der ersten hundert Tage hatte der neue US-Präsident bei seiner Amtsübernahme versprochen und weil dieses Ziel bereits nach 60 Tagen geschafft wurde, legte der 78-Jährige, der von seinem Vorgänger Donald Trump gerne als "Sleepy Joe" verspottet wurde, noch einmal nach: Aus 100 Millionen wurden 200 Millionen, erreicht nach knapp 90 Tagen im Amt.
Dass es nun auch bei Kindern und Jugendlichen schnell gehen soll, ist also nicht verwunderlich. Bereits am Donnerstag sollen in den USA die ersten 12- bis 15-Jährigen mit dem Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft werden, nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA in der Nacht auf Dienstag eine Notfallszulassung für diese Altersgruppe erteilt hatte. "Die Freigabe ist eine vielversprechende Entwicklung in unserem Kampf gegen das Virus", sagte Biden. "Wenn sie als Eltern ihr Kind schützen wollen oder sie ein Jugendlicher sind, der an einer Impfung interessiert ist, sind wir diesem Ziel mit der heutigen Entscheidung einen Schritt näher gekommen."
Jugendliche ab 12 Jahren dürften allerdings auch in Europa auf absehbare Zeit eine Impfung bekommen. So geht etwa Emer Cooke, die Chefin der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, davon aus, dass ihre Behörde binnen weniger Wochen grünes Licht für die Ende April von Biotech/Pfizer beantragte Zulassung geben könnte. "Im Moment ist Juni das Ziel, das wir für die Zulassung angeben. Wir versuchen, ob wir dies bis Ende Mai beschleunigen können", sagte Cooke dem "Handelsblatt". Im Vergleich zu den Erstzulassungen im Herbst müssten die EMA-Experten diesmal nur "ein kleineres Paket an Daten" ansehen.
Österreich in den Startlöchern
Die Impfung dieser Altersgruppe gilt als wichtiger Schritt, um nach den Ferien einen sicheren Schulstart im Herbst zu ermöglichen. Denn auch wenn die Mehrheit bei Covid-19 nur milde oder gar keine Symptome entwickelt, gibt es auch bei sehr jungen Menschen ein Risiko für schwere Verläufe. Mehreren Studien zufolge sind zudem auch Kinder und Jugendliche von Long Covid betroffen, also der chronischen und oft viele Monate dauernden Form der Erkrankung.
Sobald es die EMA-Freigabe gibt und genügend Impfstoff vorhanden ist, dürften also auch die meisten EU-Länder zügig mit der Impfung von Jugendlichen beginnen. "Wir bereiten uns bereits darauf vor, dass wir in Österreich auch den rund 340.000 12- bis 15-jährigen Kindern und Jugendlichen ein Impfangebot machen werden können", hatte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein etwa schon Ende April erklärt. Noch etwas länger wird es freilich dauern, bis auch Kinder unter 12 Jahren geimpft werden können. So laufen zwar bereits mehrere Studien, mit denen die Sicherheit, Dosierung und Wirkung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs untersucht werden, doch erste belastbare Ergebnisse für die Altersgruppe der 5- bis 12-Jährigen dürften frühestens im Juli vorliegen, bei der Gruppe von sechs Monaten bis vier Jahre wird es wohl September werden. Nimmt man die fünf bis sechs Wochen, die Biontech laut Firmenchef Ugur Sahin benötigt, um die Daten zu analysieren, und zählt die Zeit hinzu, die EMA und FDA für ihre Untersuchungen benötigen, wird eine Freigabe für die 5- bis 12-Jährigen also wohl frühestens im Spätherbst erfolgen. Der Konkurrent Moderna, der im April ebenfalls eine große Studie mit Kinder begonnen hat, geht dagegen nicht davon aus, dass sein mRNA-Impfstoff noch in diesem Jahr für diese Altersgruppe zugelassen werden kann.
Impfskepsis bei Eltern
Aus Sicht vieler Epidemiologen ist die möglichst rasche Impfung jüngerer Kinder vor allem deshalb wichtig, weil es ohne diese Altersgruppen auf keinen Fall so etwas wie Herdenimmunität geben wird. "Wenn wir nicht auf eine Immunitätsrate von 80 Prozent kommen, werden wir im Winter eine Flut an Neuinfektionen sehen", sagt Paul Offit, Vorstand des Vaccine Education Centers am Kinderspital in Philadelphia und Mitglied des nationalen US-Impfgremiums, gegenüber dem TV-Sender CNN.
Aus Expertensicht ist eine hohe Impfrate auch unter Kinder nicht zuletzt wegen der Gefahr neuer und noch ansteckenderer Mutationen wichtig. Doch Umfragen aus den USA, wo die Impfbereitschaft mittlerweile ihren Höhepunkt deutlich überschritten hat, zeigen auch deutlich, dass viele Eltern hier zögerlich sind. So wollen nur rund 30 Prozent der Befragten ihren Nachwuchs sofort impfen lassen, 23 Prozent wollen das hingegen auf keinen Fall und weitere 18 Prozent nur dann, wenn es die Schule vorschreibt. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die Bereitschaft hier noch steigt. So hat auch bei den Erwachsenen die Impfskepsis umso stärker abgenommen, je weiter die Immunisierungskampagne vorangeschritten ist.(rs)