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Die Stadt Wien nimmt mit adaptierten Plänen für das Heumarkt-Areal in Kauf, den Unesco-Welterbestatus zu verlieren.
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Wien. 2001 wurde die gesamte Innere Stadt Wiens von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Die damalige Tourismus-Staatssekretärin Mares Rossman (FPÖ) bezeichnete die Aufnahme in die Unesco-Liste als "Turbo für den Kulturtourismus". Man war stolz, das aufwendige Bewerbungsverfahren bestanden zu haben. Bürgermeister Michael Häupl zeigte sich bei der Verleihung der Urkunde tief ergriffen und sah die Aufnahme in die Liste als Zeichen dafür, "dass wir mit unserer gebauten Geschichte sorgsam umgegangen sind". Doch die Zeiten haben sich offenbar geändert. Heute scheint es, als wären die strengen Auflagen, die die Unesco der Stadt Wien vorschreibt, vielen mehr Last als Freude.
"Der Welterbestatus hilft uns weniger, als er uns schadet", sagt etwa der SPÖ-Gemeinderat und Kulturausschuss-Vorsitzender Ernst Woller zur "Wiener Zeitung". Man könne sich schließlich nicht vom Weltkulturerbe jede Stadtentwicklung behindern lassen. Fünf Jahre habe sich die Stadt sehr bemüht, ein Konzept zu finden, das verträglich sei, das müsse die Unesco doch anerkennen. Jetzt werde man einmal schauen, was das Komitee zu den neuen Plänen sage. "Man wird sehen, ob so heiß gegessen wie gekocht wird. Wir lassen uns von der Unsesco aber sicher nicht erpressen", sagt Woller.
Nicht höher als 43 Meter dürfen die Gebäude der Unesco zufolge in der geschützten Zone Wiens sein. Das hat die Organisation bereits 2012 klar zum Ausdruck gebracht. Trotzdem hat die Stadt am Dienstag die adaptierten Pläne für den Heumarkt präsentiert, die einen Luxuswohn-Turm mit einer Höhe von 66,3 Metern, statt bisher 73 Metern Höhe, vorsehen. Also immer noch deutlich höher, als von der Unesco verlangt.
Unesco sieht keinen Verhandlungsspielraum
"Es gibt hier keinen Verhandlungsspielraum. Wien wird den Titel verlieren. Dann hat die Stadt freie Hand zu machen, was sie will", sagt die Generalsekretärin der österreichischen Unesco-Kommission Gabriele Eschig. "Die Investoren machen Druck." Denn die Rendite von Börsengeschäften sei deutlich schlechter als jene von Immobilien. "Und die Stadt gibt nach. Die Interessen von Investoren werden stärker gewichtet als das öffentliche Interesse", sagt Eschig. Dass Wien so agiert, kann man bei der Unesco nicht nachvollziehen. Schließlich habe sich die Stadt 2001 von sich aus um die Aufnahme in die Liste beworben. "70 europäische Städte sind im Welterbestatus. Aber Probleme gibt es nur mit Liverpool und Wien", so Eschig.
"Warum den Schutz unseres Erbes auslagern?"
Vielleicht liegt dies daran, dass es von Anfang einige Stimmen gab, die wenig mit dem Welterbestatus anfangen konnten. Der Chef des Architekturzentrums Dietmar Steiner etwa war von der ersten Stunde gegen die Eintragung in die Unesco-Liste. "Wien hat ein Denkmalamt, warum sollten wir den Schutz unseres Erbes an die Unesco auslagern?", sagt er. Schützenswerte Gebiete seien in umkämpften Zonen und für Orte wie Angkor Wat oder Palmira sinnvoll. Mitten in Europa in einer funktionierten Demokratie mache dies aber wenig Sinn. "Es wurde eine neue Planungs- und Beurteilungsinstanz geschaffen, die mit der Stadt nichts zu tun hat", sagt er. Eine Aberkennung wäre für die Stadt von Vorteil, dadurch könne sie sich zukunftssicherer präsentieren.
Auch der Tourismusdirektor Wiens Norbert Kettner hält nicht allzu viel vom Welterbestatus. "Er liefert ein ständiges Totschlagargument für jede Modernisierung. Hätte es den Status beim Bau der Ringstraße 1857 schon gegeben, hätte man uns den Welterbestatus sicherlich sofort aberkannt", sagt er. Auch für den Tourismus sei der Status nicht von Bedeutung. Wien habe sich sein Image als internationale, moderne, gediegene Stadt über viele Jahre hinweg aufgebaut. Kein Tourist komme wegen des Welterbes. "Niemand jubelt, wenn wir das Weltkulturerbe verlieren. Wir bedauern das. Aber für den Tourismus ist es kein Beinbruch," sagt Kettner. Auch er erlebt die Unesco als zu wenig entgegenkommend: "Wenn ein Partner jegliche Kompromissbereitschaft verliert, ist es besser, sich zu trennen", meint er.
Während die Befürworter des Welterbestatus einen bevorstehenden Hochhausgürtel rund um die Innenstadt befürchten, schwärmen die Gegner von der gelungenen Adaption der Pläne für das Heumarkt-Areal. "Ich habe das Ärgste befürchtet, weil bei Bearbeitungen oft etwas Schlechteres herauskommt", sagt Steiner. Nun hätte man sich aber für eine "absolute gelungene Lösung, die den Geist des Ortes und der Geschichte einfängt" entschieden.
Auch Woller zeigt sich von dem Projekt begeistert: "Es wird alles besser. Wir bekommen eine unterirdische Eishalle und Turnsäale für Schulen. Das Areal wird viel schöner und die Stadt muss nichts dafür bezahlen", sagt er. Nach der fünfjährigen Planungsphase müsse man die Engelsgeduld des Investors bewundern.
Bis Februar hat die Stadt nun Zeit, einen Bericht an die Unesco vorzulegen. Dass die derzeitigen Argumente des Planungsbüros den Welterbestatus nicht retten werden, scheint klar. Doch das nimmt man offenbar in Kauf.