Nun tritt wohl doch ein, was Kenner der Medienbranche während des wochenlangen Überlebenskampfes der Kirch-Gruppe als Schreckensszenario an die Wand gemalt haben: Leo Kirch gelingt es nicht, durch den Verkauf von Beteiligungen den Schuldenberg abzubauen und sein fast 50 Jahre existierendes Medienimperium wenigstens in abgespeckter Form zu erhalten. Es zeichnet sich vielmehr ab, dass der 75-jährige Medienmogul auch die Kontrolle über das Kerngeschäft - die Filmproduktions- und Rechtegesellschaft KirchMedia - verliert.
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Besonders wurmen dürfte Kirch, dass sein Geschäft vielleicht an eine Investoren-Gruppe fällt, zu der ausgerechnet auch sein Erzrivale gehört, der australische Medienunternehmer Rupert Murdoch. Die Minderheitsgesellschafter von KirchMedia, darunter Murdoch und der Mediaset-Konzern des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, haben in Gesprächen mit Kirch und den Gläubigerbanken deutlich gemacht, dass sie die Kontrolle übernehmen wollen.
Murdoch wird seit Dezember ein Interesse an der Kirch-Gruppe nachgesagt. Dies zu verhindern, war das eigentliche Ziel aller Bemühungen von Kirch und seinen Managern in den vergangenen Wochen. Auch in der Politik war Kritik gegen einen Einstieg Murdochs in den deutschen Medienmarkt laut geworden. Der 70-jährige hat sich vor allem mit seinen Boulevard-Blättern in Großbritannien den Ruf eines skrupellosen Medien-Hais erworben.
Der Widerstand von Leo Kirch gegen die Abgabe der Kontrolle bei KirchMedia schwinde, hieß es jüngst in Verhandlungskreisen. "Glücklich darüber ist er nicht", sagte ein Vertrauter. Die Alternative sei aber die Insolvenz der Kirch-Gruppe - und damit das Ende seines Lebenswerks. "Wenn es notwendig sein sollte, halte ich ihm alles hin. Dann frisst er mich eben", hatte Kirch in einem "Spiegel"-Interview die Möglichkeit einer Kapitulation vor Murdoch schon vor Wochen anklingen lassen.
Lange galt Leo Kirch, der mit dem Kauf der Rechte an dem Fellini-Klassiker "La Strada" in den 50er Jahren in die Branche einstieg und zum größten Filmrechtehändler und TV-Unternehmer Deutschlands avancierte, als Visionär und gewiefter Geschäftsmann, der auch auf unlautere Mittel zurückgreift, um seine Ziele durchzusetzen. Doch mit Milliarden-Investitionen in den immer noch unrentablen PayTV-Sender Premiere verkalkulierte er sich. Der teure Einstieg in die Formel 1 für 1,6 Mrd. Euro im vergangenen Jahr habe ihm dann den Rest gegeben, heißt es in der Branche.
In die Karten schauen ließ sich Kirch bei der Führung seines Konzerns mit 9.500 Beschäftigten nie. Die Undurchsichtigkeit der Kirch-Gruppe, die in einem recht unscheinbaren Bau in Ismaning vor den Toren Münchens residiert, war legendär. Lange hieß es in der Branche, wohl nur Leo Kirch selbst kenne die verschlungenen Beziehungen zwischen all seinen Firmen. Ein Kenner: "Das Unternehmen wurde geführt wie ein mittelständischer Handwerksbetrieb." Erst unter Regie von Dieter Hahn, der als Geschäftsführer seit 1997 zur Nummer zwei hinter Kirch aufstieg, wurde der Konzern transparenter und veröffentlichte 1999 zum ersten Mal überhaupt Geschäftszahlen. Das lange gehütete Geheimnis über die Schulden lüftete Hahn schließlich im Dezember 2001 - unglaubliche rund 6 Mrd. Euro. Inzwischen sind es noch mehr geworden. Während sich der indes halb erblindete Kirch aus der Öffentlichkeit fast ganz zurück gezogen hat, im Hintergrund aber die Fäden zieht, setzte Hahn die Strategien um und führte die Verhandlungen. Den Formel-1-Einstieg gegen den Willen der an der Rennsportserie beteiligten Autohersteller habe er mit zu verantworten, heißt es bei Banken. "Kirch und Hahn müssen eigentlich beide gehen"