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Der leise Tod der Fachpolitiker

Von Walter Hämmerle

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Experten werden heute allenfalls ins Parlament geladen. Im Hohen Haus wird ihre Zahl immer geringer.


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"Hand aufs Herz: Kennen Sie die außenpolitischen Sprecher der fünf österreichischen Parlamentsparteien? Ich jedenfalls nicht", bekannte kürzlich freimütig im Vier-Augen-Gespräch der Leiter eines Think Tanks, der sich mit zentralen Fragen der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik auseinander setzt.

Der Mann wollte nicht mit seinem Nicht-Wissen protzen, vielmehr ging es ihm darum, den geringen Stellenwert von Außen- und Sicherheitspolitik in Österreich zu verdeutlichen. Diese Beweisführung ist ihm makellos gelungen, vermochten doch auch andere zum Gespräch herbeigezogene Fachexperten nicht, sämtliche außenpolitischen Sprecher aufzulisten.

Die höchste Trefferquote erzielte noch die ÖVP, die mit Wolfgang Schüssel immerhin einem ehemaligen Bundeskanzler ein parlamentarisches Ausgedinge ermöglicht. Knapp dahinter rangierten die Grünen, die mit Alexander Van der Bellen ebenfalls ein politisches Schwergewicht vergangener Tage in die außenpolitische Waagschale werfen.

Und dann waren die p.t. Experten mit ihrem Latein am Ende. Keiner erriet, wie in Gottes Namen der außenpolitische Sprecher der SPÖ heißen könnte. Dass den Job zuvor der jetzige Finanzstaatssekretär Andreas Schieder machte, wussten alle des kleinen Samples (vielleicht auch nur, weil dessen Vater Peter Schieder diese Funktion zuvor jahrzehntelang innehatte), aber der oder die Neue - keine Ahnung.

Des Rätsels Lösung heißt Christine Muttonen. Die HTL-Lehrerin aus Villach hatte sich zuvor als langjährige Kultursprecherin der SPÖ engagiert, als Außenpolitikerin ist sie bis dato noch niemandem nachhaltig aufgefallen.

Mindestens genauso unbekannt ist auch der Außenpolitik-Experte der FPÖ. Der Wiener Jurist Johannes Hübner hat allenfalls in Rechtsanwaltskreisen einen Namen.

Dafür trumpft das BZÖ gleich mit zwei prominenten Namen auf: Ewald Stadler, der demnächst ins EU-Parlament wechselt, fungiert als Europasprecher; außenpolitischer Sprecher ist Herbert Scheibner, immerhin ehemaliger Verteidigungsminister aus der Ära Schwarz-Blau.

Der Bereich Außenpolitik ist dabei nur ein Beispiel: Das schleichende Aussterben - symbolhaft gesprochen - der Fachpolitiker zieht sich wie ein roter Faden durch die personelle Zusammensetzung des Nationalrats.

Früher einmal gab es die Institution "Bundesnotwendigkeit": Damit wurde von den Parteiführungen die Reihung von Experten auf wählbaren Listenplätzen begründet. Heute dagegen ist mit Fachwissen und Expertise allein längst kein Mandat mehr zu machen, es zählen andere Qualitäten. Ob es die Besseren im Sinne der Qualität unserer Volksvertretung sind, darf bezweifelt werden. Was bleibt vom Hohen Haus, wenn es weder zur politischen Bühne noch als Arbeitsparlament taugt?