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Der Letzte einer vergangenen Welt

Von Walter Hämmerle

Politik

Politisches Porträt des wiedergewählten Bundespräsidenten. | Staatsnotar mit Hang zum Bürgerkontakt. | Wien. Die Wahl ist geschlagen, die Wähler haben gesprochen - und Heinz Fischer mit der erwarteten deutlichen Mehrheit für weitere sechs Jahre im höchsten Amt der Republik bestätigt. Dass der Funke im Wahlkampf nie so richtig überspringen wollte, lag wohl an der nicht vorhandenen Spannung, dem uninspirierten Wahlkampf, den Mitbewerbern und vielleicht auch an der ermüdenden Medien-Debatte über die Zulässigkeit des Nicht- und Weiß-Wählens. | Fischer: 'Ich habe eine gute Kondition' | Detailierte Wahlergebnisse


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Heinz Fischer selbst ist in den fast vierzig Jahren, seit er 1971 erstmals in den Nationalrat einzog, zum eigentümlichen Repräsentanten einer realiter längst untergegangenen Welt geworden. Er passt irgendwie nicht mehr so richtig in die Gegenwart und ihre Art, Politik zu machen.

Fischer, 1938 in Graz geboren, stammt aus uraltem sozialdemokratischen Adel. Sein Vater Rudolf war Sektionschef, langjähriger Nationalratsabgeordneter und von 1954 bis 1956 Staatssekretär im Handelsministerium. Sein Onkel Otto Sagmeister fungierte von 1947 bis 1949 als Minister für Volksernährung und von 1949 bis 1972 als Generaldirektor der Handelskette Konsum. Sein Schwiegervater Otto Binder schließlich war von 1959 bis 1981 Generaldirektor der Wiener Städtischen Wechselseitigen Versicherungsanstalt. Er konnte die Angelobung seines Schwiegersohnes zum Bundespräsidenten 2004 noch miterleben.

Da konnte der Jurist Fischer bereits auf eine lange Karriere zurückblicken, die er Mitte der 1960er Jahre im SPÖ-Klub begann: Schon 1975 wurde er von Bruno Kreisky, dem Sonnenkönig, zum Klubobmann befördert; in der noch vom großen Alten 1983 eingefädelten rot-blauen Koalition diente Fischer als Wissenschaftsminister; 1990 dann der vorläufige Höhepunkt: die Wahl zum Ersten Nationalratspräsidenten.

Jahrzehnte ganz vorne

Obwohl über Jahrzehnte in der absoluten Spitzenpolitik zugegen, verstand es Fischer, sich aus Konflikten weitgehend herauszuhalten. Im legendären Streit zwischen Kreisky und seinem Kronprinzen Hannes Androsch ergriff er weder für die eine noch die andere Seite Partei, aus den großen Skandalen der 80er Jahre mit SPÖ-Beteiligung - Lucona, Noricum, AKH - ging er weitgehend unbeschädigt hervor. Polarisieren war schon damals nicht seine Sache. Nur einmal, als er sich allzu eilfertig vor seinen Mentor Kreisky stellte und einen Untersuchungsausschuss gegen Nazi-Jäger Simon Wiesenthal forderte, lag er völlig daneben. Über seine Gewährung des Klubstatus für das Liberale Forum Heide Schmidts 1993 konnte man wenigstens geteilter Auffassung sein.

Als versierter Verfassungsjurist und langjähriger Spitzenpolitiker kennt Fischer die Möglichkeiten und Grenzen seines Amts bis ins letzte Detail. Anders als sein glückloser Vorgänger kultivierte er während seiner ersten sechs Jahre in der Hofburg deshalb seine Rolle als Vermittler im Hintergrund. Aus innenpolitischen Streitfragen hielt er sich weitgehend heraus.

Diesem Hang zu Konsens und Stabilität wird auch zugeschrieben, dass er hinter den Kulissen 2006 die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung unterband und auf die Bildung einer großen Koalition drängte. Und noch einmal machte er seiner eigenen Partei einen Strich durch die Rechnung, als er 2008 beim mittlerweile legendären EU-"Leserbrief" von Gusenbauer und Faymann an den Herausgeber der "Kronen Zeitung" unmissverständlich vor einer populistisch EU-kritischen Linie warnte. Zwei Umstände, die interessanterweise von der ÖVP in diesem Wahlkampf kaum zugunsten Fischers ins Feld geführt wurden.

Nach außen ging der 71-Jährige voll in seinem Amt auf. Fischer entwickelte - Ehefrau Margit, mit der er einen Sohn und eine Tochter hat, immer an seiner Seite - auf eine eigentümlich authentische Art Volkstümlichkeit im direkten Umgang mit den Bürgern. Diese revanchierten sich mit regelmäßigen Rekord-Zustimmungswerten für ihr Staatsoberhaupt.

Neue Akzente?

Außenpolitisch interpretierte er sein Amt vor allem als Türöffner für die heimische Exportwirtschaft. Auf seinen Staatsbesuchen hat er stets eine große Wirtschaftsdelegation im Schlepptau. Offensichtlich zu größter Zufriedenheit aller Beteiligten. In WKO-Chef Christoph Leitl hat Fischer jedenfalls seinen größten Fan aus den Reihen der ÖVP.

Wenn am 8. Juli die Bundesversammlung zusammentritt, um den passionierten Hobby-Bergsteiger für seine zweite Amtszeit anzugeloben, beginnt wohl der letzte Abschnitt in seiner langen politischen Karriere. Für diesen hat er angekündigt, eine deutlichere Sprache in politischen Streitfragen sprechen zu wollen. Man wird sehen, inwiefern der Liebhaber komplizierter Schachtelsätze seinem hyper-vorsichtigen Naturell entfliehen kann.