Ex-Bürgermeister Gratz erinnert sich. | Wien. Altbürgermeister Leopold Gratz gewährte auf Einladung des Liberalen Klubs am Dienstag Abend Einsichten in sein ereignisreiches politisches Leben. Man hatte Gratz gebeten, im Rahmen des diesjährigen "Gedenkjahres" die vergangenen 60 Jahre aus seiner Sicht zu schildern.
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So begann er auch gleich mit harscher Kritik an den jungen Historikern, die die Nachkriegszeit nur eindimensional und voller Vorurteile bewerten würden. Vor allem der Vorwurf, die Integration der ehemaligen NSDAP-Mitglieder in die Nachkriegsparteien sei nur aus Parteiräson erfolgt, schmerze ihn. Vielmehr hätte man damit eine Spaltung des Landes verhindert.
Lieber erinnerte sich Gratz an seine politischen Wegbegleiter und Mentoren und bezeichnete sich selbst als "letzten Lehrling der Politik", der von Adolf Schärf und Bruno Pittermann ins politische Leben eingeführt worden ist. Dass dieses auch amüsant sein kann, bewiesen seine zahlreichen Anekdoten. Etwa, als er als Wiener Bürgermeister den damaligen Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (VP) zur Jagd in den Lainzer Tiergarten einlud, dieser aber ablehnte, weil er es unsportlich fand, in einem Zoo Tiere zu schießen.
Aber auch die bedrückenden Seiten seiner Laufbahn blieben nicht unerwähnt, wie etwa die Verhandlungen mit den Roten Khmer im Auftrag der UNO oder ein Besuch in Ostberlin in der heißen Phase des Kalten Krieges.