Stepic stolperte über seine publik gewordenen privaten Offshore-Geschäfte.
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Wien. Kein anderer Name ist im Wirtschaftsleben so mit der Osteuropa-Expansion Österreichs verbunden wie der von Herbert Stepic. Nun hat der langjährige Chef der Raiffeisen Bank International (RBI) das Handtuch geworden. Er trat zurück, nachdem private Immobiliengeschäfte über Briefkastenfirmen in Steueroasen publik geworden sind. Zuerst prüfte die Bankenaufsicht einen Deal in Belgrad, der über eine liechtensteinische Stiftung und eine zypriotische Gesellschaft gelaufen sein soll. Der wurde noch ad acta gelegt.
Weitere Geschäfte?
Nun wurde über Offshore-Leaks und "News" bekannt, dass sich Stepic über zwei Gesellschaften auf den British Virgin Islands insgesamt drei Wohnungen in Singapur gekauft hat. Vermutetes Investment: zirka zehn Millionen Euro. Stepic erklärte, dass dies alles mit "in Österreich versteuertem Geld" durchgeführt worden sei. Trotzdem war bei Raiffeisen (und vermutlich auch der Aufsicht) damit die Schmerzgrenze erreicht, Stepic trat am Freitag zurück. Ob sein eigentlich bis Ende 2015 laufender Vertrag ausbezahlt wird, wollte ein RZB-Sprecher am Freitag nicht kommentieren. Möglicherweise tauchen noch weitere private Geschäfte Stepic‘ auf. So ist auch die Rede von Liegenschaften in der Ukraine. Die Sprecherin der RBI reagierte auf die diesbezügliche Anfrage der "Wiener Zeitung" allerdings nicht. Raiffeisen-intern wird erzählt, dass Stepic an Agrarland in Weißrussland beteiligt sein soll oder gewesen sein soll.
"Anhand der Berichterstattung ist mir sehr bald bewusst geworden, dass trotz dieses Sachverhalts (dass die Geschäfte nicht illegal seien, Anm.d.Red.) eine Diskussion im Raum steht, die dem Ansehen meines Unternehmens massiv zu schaden droht", sagte Stepic am Freitag - und ging.
Sein Aufsichtsratsvorsitzender und langjähriger Weggefährte Walter Rothensteiner pries die "Vision" von Herbert Stepic. Mit einigem Recht. Stepic war seit Mitte der 80er Jahre die treibende Kraft, um aus dem eher verschlafenen Raiffeisen-Spitzeninstitut die führende Bank Osteuropas mit 60.000 Mitarbeitern zu machen.
Oft genug segelte Stepic dabei hart am Wind. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks war Stepic oft der erste westliche Banker, der sich in den Ländern engagierte und Banken kaufte. Der Genuss-Mensch Stepic fühlte sich in Osteuropa sichtlich wohl. Um ins Geschäft zu kommen, ließ er bei Präsentationen schon mal das Wort "Raiffeisen" weg und betonte die "Zentralbank" - was bei ehemaligen kommunistischen Kadern gut anzukommen schien. Die später als RZB-Oststrategie gepriesene Expansion war - was immer ihm nun vorzuwerfen ist - seiner Tatkraft zu verdanken.
Tatkraft = Strategie
Am Höhepunkt 2007 machte die RZB mehr als 80 Prozent ihres Gewinns in der Region. Die Bank-Eigentümer, die Raiffeisen Landesbanken, genossen die daraus fließenden Dividenden.
Stepic war es auch, der den Börsegang vorantrieb, denn die finanziellen Möglichkeiten der Raiffeisen-Landesbanken hielten dem Tempo der Vergrößerung des Bankenimperiums nicht stand. Am Höhepunkt kostete die Aktie dann 100 Euro, am Freitag notierte sie um 26,50.
Die Finanzkrise ab Ende 2008 markierte eine Zäsur. Osteuropa, bis dahin Eldorado der Anleger, wurde plötzlich zum unkalkulierbaren Risiko. Länder wie die Ukraine (dort betreibt die RBI die von Stepic gekaufte größte Bank des Landes) wurden zum Milliardengrab. Davor verdiente sich Raiffeisen eine goldene Nase.
Firtasch in Offshore-Leaks
Dass in diesen Ländern Politik und Wirtschaft eng und manchmal auch illegal miteinander verzahnt sind, fiel auch Stepic auf den Kopf. In der Ukraine war Raiffeisen lange Zeit als Treuhänder des mit der russischen Gazprom handelnden Gashändlers Dimitry Firtasch tätig, was die US-Behörden auf die Palme brachte. Firtasch steht übrigens auch auf der Offshore-Leaks-Liste. Auch er wickelt einen Teil seiner Geschäfte über Briefkastenfirmen auf den British Virgin Islands ab. Raiffeisen stieg schließlich aus, die Rolle Firtaschs bei Aufstieg und Fall von Julia Timoschenko ist bis heute nicht lupenrein geklärt.
Meisterstück Russland
Als Meisterstück von Herbert Stepic darf aber Russland gelten. Als das Land Ende der 1990er Jahre pleite war, und Raiffeisen dort sehr viel Geld verlor, behielt Stepic die Nerven und baute die Bank sogar noch aus. Seinem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Konrad war zwar nicht wohl bei der Sache, doch er stimmte zu. 2012 verdiente Raiffeisen in Russland 600 Millionen Euro, das sind 60 Prozent des Gesamt-Ergebnisses der RBI.
Für solche Husarenstücke war Stepic bei den Bankern bekannt. Der gemütlich aussehende Mann, der Kokoskuppeln liebt, konnte dafür im Geschäftsleben knallhart sein. Natürlich unterhielt er Kontakte zu Geheimdiensten, um so manchen osteuropäischen Geschäftspartner unter die Lupe nehmen zu können. Der russische Inlands-Geheimdienst FSB hat jedenfalls eine umfangreiche Akte über Herbert Stepic.
2006 wurde er "European Banker of the Year", die Wirtschaftsuniversität Wien machte ihn 2005 zum Manager des Jahres, und auch der "trend" kürte ihn zum "Mann des Jahres". Seine Mitarbeiter schätzen den Workaholic. Er sammelt afrikanische Handwerks-Kunst und hat eine Stiftung gegründet, die in Osteuropa Kinderheime unterstützt. Was also reitet so einen Mann, seine privaten Investments über Briefkastenfirmen abzuwickeln? Ein Bekannter von Stepic, der namentlich nicht zitiert werden wollte, kann sich vorstellen, dass er in Osteuropa so oft mit derartigen Konstruktionen konfrontiert wurde, dass ihm das alles als völlig normal erscheint.
Millionen-Gagen
Ein schräges Licht auf ihn warf jedenfalls bereits seine Jahresgage für 2012 in Höhe von knapp fünf Millionen Euro. Gleichzeitig wird die Zahl der Mitarbeiter ständig reduziert. Das sorgte nicht nur bei Raiffeisen für einigen Wirbel. Stepic zahlte im April zwei Millionen Euro wieder zurück. Er sagte aber dazu, dass auch die höhere Gage unter dem vergleichbaren europäischen Durchschnitt gelegen wäre (6,5 Millionen Euro).
Nun sind Banker-Gagen in Zeiten der Bankenrettungsprogramme ohnehin ein Quell ständiger Diskussionen. Möglicherweise liegt das bei Stepic auch daran, dass die Raiffeisen-Banker bis zum Börsegang im April 2005 eher mickrig verdienten.
Zu spät gegangen?
Allerdings müssen sich Manager börsenotierter Unternehmen auch am Aktienkurs messen lassen - und der liegt jetzt unter dem Ausgabekurs 2005. "Diesen Abschied hat er sich sicher anders vorgestellt, und er hätte auch einen anderen verdient, wenn wir sein Lebenswerk betrachten. Vielleicht hätte er früher gehen sollen", sagte ein Raiffeisen-Banker zur "Wiener Zeitung". Genau das lehnte Stepic ab. Er war wie besessen von dem Gedanken, die RBI aus der Krise zu führen und in altem Glanz zu übergeben. Diese Konsequenz zeichnete ihn schon beim Studium an der "Welthandel" (der heutigen WU Wien) aus. Er jobbte daneben, um seinen (nicht begüterten) Eltern nicht auf der Tasche zu liegen. Nun ist er ein vermögender Mann geworden, doch um welchen Preis?