Noch vor einem halben Jahr war der Meiselmarkt ein deutlich rotes Grätzl Wiens. Heute ist das politische Bild bunter.
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Wien. Mittwoch Morgen am Meiselmarkt im 15. Wiener Gemeindebezirk. Während draußen am Vorplatz trotz Sonnenschein gähnende Leere herrscht, zeigt sich im überdachten Meiselmarkt geschäftig-buntes Treiben. Die Leute flanieren vom Obststand weiter zur Fleischerei, probieren hier einen Käse und pausieren an einem der Tische für einen schnellen Kaffee. Noch im Oktober vergangenen Jahres erzielte die SPÖ in Rudolfsheim-Fünfhaus knapp 43 Prozent, nach der Brigittenau der zweitstärkste Bezirk für die SPÖ Wien. Im Sprengel rund um den Meiselmarkt waren es sogar 46 Prozent. Ein leichtes Spiel für den roten Bundespräsidentschaftskandidaten Rudolf Hundstorfer - möchte man zumindest meinen.
Eingesessene Rot-Wählerin der Sonne
Am Vorplatz des Meiselmarktes zeigt sich ein eindeutiges Bild: Rudolf Hundstorfer ist - wirft man einen Blick auf die Wahlplakate - überrepräsentiert. Das rote Wahlkampfteam hat sich wohl entsprechend der vergangenen Wien-Wahlen gute Chancen im 15. Bezirk ausgerechnet. Hier am Vorplatz trifft die "Wiener Zeitung" auf ein Pensionistenpärchen, das sich über die Hundstorfer Plakate freut.
Es sind eingesessene Rot-Wähler, wie man sie aus Wien kennt. Die Kapsers haben gerade ihre Einkäufe erledigt, nun genießen d sie draußen auf einer Parkbank sitzend die Sonne. Als gebürtige Wiener sei es für sie ehrensache, Rudolf Hundstorfer zu wählen und der SPÖ treu zu bleiben, erzählen sie im Gespräch. "Natürlich hat sich einiges im Vergleich zu früher in der Sozialdemokratie geändert. Aber der Heinz Fischer war ein guter Bundespräsident und der Hundstorfer wird es genauso gut machen", ist sich der männliche Part des Pärchens sicher. Frau Kapser stimmt ihm mit einem Blick auf das Wahlkampfplakat zu: "Wenn einer für uns ist, wie es da auf seinem Schildl steht, glaub‘ ich’s am ehesten dem Hundstorfer."
Von den Hundstorfer-Konkurrenten hält Frau Kapser nur wenig: "Der Lugner spielt zu sehr das Kasperl, der Grüne und die Griss reden nur g’scheid und schwarz wähl‘ ich sowieso nicht." Damit ist die Entscheidung eindeutig. Zumindest für das pensionierte Pärchen, das die Morgensonne genießt.
In den aktuellen Wahlumfragen, schaut es weniger positiv aus. Dort liegt Hundstorfer derzeit zwischen 14 und 16 Prozent. Damit nimmt er den vierten Platz ein, hinter Alexander van der Bellen, Irmgard Griss und Norbert Hofer.
Rund 14 Prozentnoch unschlüssig
Vier Tage bleiben bis zur Wahl Hundstorfer noch, um weitere Wähler für sich zu begeistern. Das Meinungsforschungsinstitut "OGM" ging vor zwei Tagen noch von 14 Prozent unschlüssigen Wählern aus. Einer davon ist auch unter den "Standlern" am Meiselmarkt zu finden: Der Sohn von Simar Yogurtcu. Vater und Sohn betreiben gemeinsam den Obststand "Simars Früchteparadies". Beide sind traditionelle Rot-Wähler. Der jüngere der Beiden kann sich noch nicht entscheiden, wo er sein Kreuz am Sonntag setzen wird. Die Tendenz geht jedoch in Richtung des ehemaligen Sozialministers. Was gegen oder für Hundstorfer spricht? Darüber will er in den nächsten Tagen gründlich nachdenken. "Aber ein bisschen Zeit ist ja noch, um zu überlegen", lacht er.
Der ältere aus der Familie Simar hingegen hat sich dafür entschieden, etwas Neues zu probieren. Seit 26 Jahren betreibt er den Obststand. Während ihm hier am Meiselmarkt nicht langweilig wird, wird es politisch Zeit für eine Abwechslung - von rot zu grün. Dem roten "Bla-Bla" - wie er es nennt - glaubt er nicht mehr. Was er sich von Van der Bellen im Gegensatz zu Hundstorfer erwartet? Grinsend zeigt er auf seine Erdbeeren "Ich weiß nicht, ob es besser wird. Aber die Erdbeeren muss ich auch zuerst probieren, um zu sehen, ob sie gut sind."
Enttäuschungund Frust
Auch Enttäuschung und Frust lässt sich am Meiselmarkt finden. So zum Beispiel bei Frau Maria, die in einem verrauchten Eck-Beisl gerade ihren Kaffee bezahlt. In der kommenden Woche wird sie 70. 46 Jahre ihres Lebens hat sie gearbeitet, erzählt sie. Heute hat sie nichts davon. "Ich habe immer die SPÖ gewählt, bei der Bundespräsidentschaftswahl wird es wohl der Hofer", erzählt sie.
Mit ein Grund für diese Entscheidung ist eine Unterkunft in der Johnstraße, in der immer mehr Flüchtlinge wohnen. Einfach sei es nicht hier zu leben, zumindest laut Frau Maria: "Niemand kümmert sich darum, dass in der Unterkunft alles gut läuft. Dem Häupl rinnt der Wein schon aus den Augen raus, machen tut er aber nichts". Diesen Frust bekommt auch der rote Kandidat Hundstorfer zu spüren.
Eine Stimmungsbild, dass sich in der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "meinungsraum.at" widerspiegelt: 600 Österreicher wurden zur emotionalen Wahrnehmung der einzelnen Kandidaten befragt. Das Ergebnis für Hundstorfer fällt traurig aus. Während er bei den zwei positiven Emotionen "Freude" und "Begeisterung" unter dem Durchschnitt liegt, führt er mit 32 Prozent beim Stichwort "Ärger" die Spitze an. Laut Meinungsforscherin Christina Matzka bekommt Hundstorfer als noch kürzlich amtierender Sozialminister den Wählerfrust an der derzeitigen Regierung zu spüren.
"Der letzte richtige Rotewar der Kreisky"
Schon länger von der SPÖ abgewandt haben sich Johann, der sich als "Johnny vom Meiselmarkt" vorstellt, und der Pensionist Ewald. Auch die beiden wechselten von SPÖ zu FPÖ, zumindest bei der Bundespräsidentschaftswahl. "Der Hundstorfer ist der gleiche rote Bücha (Kleinkriminelle, Anm. Red.), wie alle anderen auch. Der letzte richtige Rote war der Kreisky", erinnert sich Ewald an die für ihn schon längst vergangenen "guten sozialdemokratischen Zeiten" zurück. Johann pflichtet ihm bei und fügt hinzu: "Die Regierung streitet wie die kleinen Kinder und dann wundern sie sich, dass sie niemand wählt." Niemand stimmt nicht ganz. Am Meiselmarkt findet man die Rot-Wähler und Hundstorfer-Fans noch vereinzelt.
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