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Der letzte Sieg des "Schlächters der Indios"

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Guatemalas Ex-Diktator Efrain Rios Montt ist "als freier Mann" zuhause verstorben.


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Guatemala-Stadt. Kaum ein General hat die indigene Bevölkerung in der Neuzeit so brutal niedergemetzelt wie Guatemalas Ex-Diktator Efrain Rios Montt. Die Skrupellosigkeit, mit welcher der ehemalige evangelikale Prediger einen blutigen Kreuzzug gegen die Ureinwohner des mittelamerikanischen Landes führte, ist nur mit den Eroberungsfeldzügen der europäischen Kolonialherren nach der Entdeckung Amerikas zu vergleichen. Nun ist der ehemalige Armeegeneral im Alter von 91 Jahren an Herzversagen gestorben. Er litt zumindest nach offiziellen Angaben in den letzten Monaten seines Lebens unter Demenz, weshalb er bei dem anhängigen Verfahren gegen ihn nicht mehr anwesend sein musste.

Stunden nach seinem Tod wurde Rios Montt auf einem privaten Friedhof in Guatemala-Stadt beigesetzt. Seine Tochter Zury Rios rief bei dieser Gelegenheit, ihr Vater sei als freier Mann aus dem Leben geschieden. In Sprechchören von Anhängern am Grab hieß es: "Es lebe der General Rios Montt, der uns von den Kommunisten befreit hat", wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Für Rios Montt mag seine Erkrankung ein Segen gewesen sein, denn so konnte oder wollte er sich nicht mehr an die eigenen Gräueltaten erinnern. Für Guatemalas Opfer bleiben die knapp 15 Monate, in denen er an der Spitze der Militärjunta stand, eine offene Wunde im kollektiven Gedächtnis. Sie bleiben für immer unvergessen und ungesühnt.

Dörfer von Indigenendem Erdboden gleichgemacht

Durch einen Militärputsch kam Rios Montt 1982 an die Macht, ehe er selbst von rivalisierenden Militärs 1983 abgelöst wurde.

Die Amtszeit von Rios Montt gilt als eine der gewalttätigsten Perioden im Bürgerkrieg, der Guatemala von 1960 bis 1996 erschütterte. Dem Machthaber wurde vorgeworfen, für die Ermordung von 1771 Angehörigen der Ixil-Volksgruppe in der nördlichen Region Qiche verantwortlich gewesen zu sein. Er soll eine gezielte Vernichtungspolitik gegen die Ixil (die zur Großgruppe der Maya gehören) in Gang gesetzt haben, die damals verdächtigt wurden, mit linksgerichteten Guerillagruppen zu kollaborieren.

So erwarb sich Rios Montt den Beinamen "Schlächter der Indios", weil er seine Schergen 448 Dörfer dem Erdboden gleichmachen ließ. Die Indigenen bezahlten den Pauschalverdacht der Kollaboration mit ihrem Leben, unzählige Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt. Indigene Frauen behandelten die damaligen Machthaber wie ein Stück Dreck.

Das Leiden der Frauen erfuhr noch einmal eine Verlängerung. Obwohl sich dutzende von ihnen aus dem indigen geprägten Land auf die beschwerliche Reise in die Hauptstadt machten, um trotz großer Ängste noch einmal vor Gericht über die eigenen Schreckenserlebnisse auszusagen, gelang es den Anwälten durch juristische Winkelzüge, den Diktator vor der Zelle zu bewahren.

Fassungslos kommentierte Oscar Vian, damaliger Erzbischof von Guatamala-Stadt: "All diese Aussagen wurden durch die Annullierung des Prozesses in den Dreck geworfen. Wie müssen sich die Opfer fühlen, die all das auf sich genommen haben - um dann zu erfahren, dass ihre Aussagen völlig wert- und nutzlos waren? Sie müssen sich missbraucht und missachtet fühlen."

Zwar wurde Rios Montt in einem ersten Prozess 2013 wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 80 Jahren Haft verurteilt, doch das Verfassungsgericht hob das Urteil später wegen angeblicher Verfahrensfehler wieder auf. Ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Ebenso wie die Bescheinigung einer Demenzerkrankung der Ärzte. Ebenso wie die "demokratische Karriere" des Generals, dessen Parlamentssitz ihn dank der damit verbundenen Immunität Jahrzehnte vor der strafrechtlichen Verfolgung bewahrt hatte.

Der Bürgerkrieg in Guatemala zählt zu den brutalsten Konflikten in der Geschichte Lateinamerikas. In den 36 Jahren kamen Schätzungen zufolge mindestens 200.000 Menschen gewaltsam ums Leben. 83 Prozent davon waren Angehörige der Ixil. Ein besonders blutiges Kapitel schrieb Rios Montt mit. Nun ist er tot. Seine Schuld nimmt er mit ins Grab. Guatemalas Justiz hat versagt.