Der Prater wird zum Wohngebiet - bleibt nur noch die Brunnerstraße im 23.
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Wien. Als Felix Krull zu seiner Prostituierten Rosza ging, um sich in Sachen Liebeskünste zu schulen, hatte die Prostitution Ende des 19. Jahrhunderts noch etwas Magisches. Zumindest im Roman von Thomas Mann über die Abenteuer eines Hochstaplers.
Die Realität sieht anders aus - und das nicht erst seit gestern. Wie mit Prostitution umgegangen werden soll, darüber zerbrechen sich viele Städte den Kopf. Sie verschrecken die Bürger, die Touristen, andererseits sind sie ein Teil der Gesellschaft, der nicht verdrängt werden soll.
Verdrängt werden sie aber derzeit in Wien. Nachdem die rot-grüne Stadtregierung 2011 das Prostitutionsgesetz novelliert hat, dürfen die Sexarbeiterinnen nicht mehr in Wohngebieten stehen. Die Straßenstriche Felberstraße, Linzerstraße und Äußere Mariahilfer Straße sind verschwunden und die Szene verlagerte sich in den Prater. Der nun auch zum Wohngebiet erklärt wird.
Was bleibt, ist die Brunnerstraße im 23. Bezirk. Und Bezirksvorsteher Gerald Bischof ist alles andere als glücklich darüber. "Die Straßenprostitution hat keinen Platz in unserem Bezirk", sagt er zur "Wiener Zeitung". Nach den derzeitigen Rahmenbedingungen sei das so nicht möglich und auch von der Wiener Polizei sei er enttäuscht. Konkret beschreibt Bischof die Situation auf der Brunnerstraße als "menschenunwürdig". Denn auch wenn die Brunnerstraße eine legale Anbahnungszone ist, da sie kein Wohngebiet ist, befindet sich ein Wohngebiet nur ein paar hundert Meter entfernt. Die Ausübung werde im Auto oder auf privaten Firmenparkplätzen vollzogen, so Bischof. Es gebe zunehmend Anrainerbeschwerden.
Ein Problem losgeworden ist sicherlich Karlheinz Hora, Bezirksvorsteher im 2. Bezirk. Mit der Beschlussfassung, die neue WU im Prater anzusiedeln - und überhaupt, dass der Prater in den vergangenen Jahren laufend modernisiert wurde, etwa mit dem neuen Messezentrum und Praterstern - hat sich laut Hora der Prater als ehemaliger Hotspot der Prostitution sehr verändert. Mit einem Gemeinderatsbeschluss noch im September wird nun auch die Perspektivstraße, wo sich die Sexarbeiterinnen konzentriert einfanden, zur Wohngegend umgewidmet und damit zur illegalen Zone für die Frauen. Allerdings, so Hora, gebe es noch "100 Meter" in einem hinteren Bereich, wo Prostitution weiter möglich sei.
Erlaubniszonen scheitern
an den Bezirken
Die Frauen geraten damit unter Druck. Immer weniger Platz steht ihnen in der Stadt zur Verfügung. Für die Grünen-Sozialsprecherin Birgit Hebein ist die Situation "äußerst bedenklich". Es brauche dringend sichere Plätze. Derzeit würden die Frauen neue Straßen suchen, in der Wohnungsprostitution landen oder verschwinden. Der Druck sei enorm. Auch die Situation beim Auhof im 14. Bezirk, wo immer wieder Frauen stehen, sei keine angenehme. Die letzte Tankstelle habe dort auch zugemacht. Holbein gibt zu, dass die Grünen ihr Ziel, bei der legalen Anbahnung mehr Sicherheit auf die Straße zu bringen, nicht erreicht haben. Allerdings scheitere es an den Bezirken, die laut Gesetz die Möglichkeit hätten, Erlaubniszonen in Wohngebieten zu definieren.
Die Bezirke stehen aber auf der Bremse. Es herrscht Geschlossenheit bei allen 23. Kein Bezirk hat seit 2011 eine Erlaubniszone eingerichtet. Für Bezirksvorsteher Bischof hat der Straßenstrich in der Stadt nichts verloren. Er würde nur noch Indoor-Betriebe, wie Laufhäuser, zulassen. Dass die Diskussion auf ein Verbot des Strichs hinauslaufen könnte, sieht Sozialsprecherin Hebein als Gefahr. "Ein Verbot bringt nichts", sagt sie. Solange es Prostitution gibt, müsste man alles tun, um sie "so sicher wie möglich zu machen". Auch der Straßenstrich müsste erhalten bleiben, er laufe im Gegensatz zu den Bordellen nach anderen Gesetzen ab und sei für Frauen aus osteuropäischen Ländern oft die einzige Möglichkeit, um sich zu prostituieren.
"Ein totales Verbot der Straßenprostitution wird es mit einer rotgrünen Stadtregierung nicht geben", sagt die zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger dazu. Mit dem Aus für den Prater wird es jedoch eng für die Sexarbeiterinnen. Allerdings haben sich die Bedingungen in den Bordellen verbessert. Seit 2011 brauchen Rotlichtlokale eine Bewilligung. Und für eine Genehmigung müssen Auflagen etwa betreffend der Sicherheit und Hygiene erfüllt werden. Die Frauen hätten dadurch eine sicherere und selbständige Arbeit. Das hätte Rosza, der Prostituierten von Felix Krull, dann wohl wieder gefallen.
Wissen
Wiens Straßenstrich wurde per Gesetz im Jahr 2011 aus Wohngegenden verbannt. Danach hat sich die Prostitution von der Felberstraße, der Linzer Straße und der äußeren Mariahilfer Straße in den Prater verlagert. Nach Protesten wurde dort eine zeitliche Einschränkung auf die Nachtstunden fixiert. Demnächst wird das Areal in ein Wohngebiet umgewidmet, was dort zu einem Verbot der Straßenprostitution führt. Derzeit stehen die knapp 3000 gemeldeten Sexarbeiterinnen noch im Prater, Auhof und auf der Brunnerstraße in Liesing.