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Der "Leuchter-Report", ein riesiger Schwindel

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

Bischof Richard Williamson hat also gegen die Verurteilung (in Abwesenheit) auf 10.000 Euro wegen der Holocaust-Leugnung berufen. Damit bleibt dieses Thema weiter auf dem Seziertisch.


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Wes Ungeistes Kind Williamson ist, belegen zwei von vielen seiner Zitaten. 1989 predigte er in Kanada, dass in den Vernichtungslagern der Nazis keine Juden vergast worden seien: "Das waren alles Lügen, Lügen, Lügen! Die Juden erfanden den Holocaust, damit wir demütig auf Knien ihren neuen Staat Israel genehmigen." Ein empörter Zuhörer klagte Williamson, der sich einem Prozess durch Flucht aus Kanada entzog.

2008 leugnete er den Holocaust wieder einmal, und zwar in Deutschland - aber taktisch anders gestrickt: Es seien vielleicht 200.000 bis 300.000 Juden in deutschen KZ gestorben, aber kein Einziger in einer Gaskammer. In den KZ bestanden nur Gaskammern zur Entlausung von Kleidungsstücken. Um nicht mit dem Verbotsgesetz in Konflikt zu geraten, berief sich Williamson auf den "Leuchter-Report", der den Rechtsextremisten bis heute als politische "Bibel" dient.

Diese widerwärtige Geschichte begann 1988 im Prozess gegen den nach Kanada geflüchteten deutschen Nazi Ernst Zündel. Dort kam er wegen seiner nazistischen Publikationen vor Gericht. Nun aber verlangte er zu seiner Entlastung ein Gutachten des vorgeblichen Gaskammer-"Experten" Frederick Leuchter.

Dieser Mann hatte sich als "Ingenieur" mit Spezialkenntnissen für Hinrichtungen in Gaskammern ausgegeben. Ohne jede Vorbildung in Physik, Chemie oder Toxikologie unternahm er 1988 eine Stippvisite nach Auschwitz und Majdanek, "bewies" hinterher, dass dort nie Vergasungen hätten stattfinden können, und veröffentlichte das in seinem "Report". Als "Gutachter" für Zündel wies ihm aber das Gericht nach, dass der "Report" frei erfundener Humbug und sein Ingenieur-Titel Schwindel seien. Zündel wurde verurteilt.

Das hinderte NPD-Chef Günter Deckert nicht, den "Report" auf Deutsch herauszubringen. 1991 in Deutschland selbst als Holocaust-Leugner vor Gericht gestellt, holte er Leuchter als Zeugen. Der fasste dafür eine Geldstrafe aus.

Williamson räumte 2009 ein, dass er vielleicht zu wenig wisse, weshalb er weiter nach Beweisen für den Holocaust forschen wolle. Solche fände er in nahezu jeder Bibliothek.

Einen der eindrucksvollsten Beweise verdanken wir Kurt Gerstein. Um das Verschwinden eines Verwandten aufzuklären, schmuggelte sich der gläubige Christ in die SS ein und brachte es zielsicher zum KZ-Inspektor. Als solcher wurde er Zeuge einer Vergasung in Auschwitz. Auf der Heimreise traf er zufällig den schwedischen Diplomaten Göran von Otter, den er bat, die Alliierten darüber zu informieren. Von Otters Bericht wurde aber als Fantasterei abgetan.

Der Fall Williamson verschaffte dem "Leuchter-Report" wieder Publizität. Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels hat einmal gesagt: "Eine Lüge muss nur groß genug sein, dann wird sie geglaubt."

Clemens M. Hutter war bis 1995 Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".