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Die Kämpfe in Syrien beginnen auch in das Nachbarland hineinzuwirken. Und dort ist die Angst vor einer Eskalation besonders groß.
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Eine Generation lang erlebten die Libanesen den Albtraum eines konfessionellen Bürgerkriegs. Nun sehen sie mit an, wie sich ein ähnlicher Strudel im benachbarten Syrien immer schneller dreht. Viele fürchten, dass der Libanon in die Auseinandersetzung gezogen werden könnte, vor der fast jeder Angst hat. Jetzt schon beginnen die syrischen Kampfhandlungen in den Libanon hineinzuwirken.
Die Region Akkar im Nordosten des Landes ist zu einem Transitpunkt für medizinische und andere Hilfsgüter geworden. Auch die syrische Opposition hofft, sie für ihre Operationen in Homs, dem Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, nutzen zu können.
Während meines Kurzbesuchs im nördlichen Libanon vergangenes Wochenende traf ich einen Libanesen, der mir das Versorgungsnetzwerk der syrischen Opposition in Akkar erläuterte. Er sagte, Sunniten und einige Christen im Norden sympathisierten mit den Anti-Assad-Kräften. Das libanesische Militär, dem viele Schiiten angehören, die Assad unterstützen, versuche - zurückhaltend - die Grenze zu kontrollieren. Es sei ein Balanceakt. Als ein sunnitischer Geistlicher im Mai am Armeekontrollpunkt getötet wurde, wäre die Region beinahe explodiert.
Der libanesische Premierminister Najib Mikati bemüht sich darum, den Libanon aus der Auseinandersetzung herauszuhalten. Obwohl er voriges Jahr bei seinem Amtsantritt als starker Unterstützer Assads galt, überraschte er die USA und sogar Israel mit seiner relativen Unabhängigkeit von Syrien und dessen Schirmherrn Iran.
Mikati hat sich aber nicht nur von Assad zurückgezogen, sondern ein wenig auch von der Hisbollah, der Schiitenmiliz, die Assads Schlüsselverbündete im Libanon sind. Ein heikler Schritt, steht Mikati doch einer von der Hisbollah dominierten Regierung vor.
Aber sogar die Hisbollah, die man sonst nicht gerade als Beschwichtiger kennt, bewegt sich dieser Tage mit Vorsicht. Ich traf auch Ammar al-Moussawi, den Chef für internationale Angelegenheiten in der Hisbollah. Er betonte, dass die Hisbollah Mikatis Politik der Loslösung unterstütze. Unser Gespräch war inoffiziell, wörtlich zitieren darf ich ihn also nicht. Aus Sicht der Hisbollah riskieren Staaten, die der syrischen Opposition Waffen liefern, eine Explosion, die den Libanon und andere angrenzende Länder treffen würde. Die Hisbollah will eine politische Lösung für Syrien, aber nur eine, die die Interessen des Iran und der Hisbollah schützt.
Mir macht Sorgen, wie die politischen Lager im Libanon sich für einen Krieg positionieren, den sie alle zu verabscheuen behaupten. Die Libanesen spüren, was sich da zusammenbraut, weil sie es selbst erlebt haben. Der Bürgerkrieg, begonnen 1975, dauerte (mit Unterbrechungen) 16 Jahre. In den Köpfen existieren die Trennlinien bis heute.
Ist der Kreislauf des Tötens und der Rache einmal in Gang gekommen, ist es, wie die Menschen im Libanon nur zu gut wissen, fast unmöglich, ihn zu stoppen.
Übersetzung: Redaktion
Siehe auch:
Originalfassung "Lebanon sitting on the edge"