Als Liberaler eckt Michael Ikrath in der ÖVP öfter an.
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Wien. Eigentlich müsste Michael Ikrath gar nicht so intensiv wahlkämpfen. Im Wahlkreis Wien Nord-West ist der ÖVP dank der bürgerlichen Hochburgen Währing und Döbling ein Grundmandat so gut wie sicher. Trotzdem ist Ikrath fast täglich unterwegs - auch in den Arbeiterbezirken Hernals und Ottakring -, um seine Botschaft zu verbreiten. Und die weicht mitunter etwas von der seiner Partei ab. Ikrath ist nämlich der radikalste Vertreter des liberalen Flügels der ÖVP. Eigentlich ist er der liberale Flügel der ÖVP. Ein radikal-liberaler Ein-Mann-Flügel quasi.
Seit Heide Schmidt und dem Liberalen Forum wird "liberal" in Österreich oft mit "links" gleichgesetzt. Dagegen verwehrt sich Ikrath vehement. Er versteht Liberalismus im klassischen bürgerlichen Sinn. Am ehesten lässt sich das mit Freisinn beschreiben. Höchstes Gut ist dabei die Freiheit - vor allem jene vor Eingriffen des Staates. Im Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit habe sich seit 9/11 das Gleichgewicht aber zugunsten der Sicherheit verschoben, beklagt Ikrath. Die 1848 erkämpften Freiheitsrechte seien dermaßen selbstverständlich geworden, dass das Bewusstsein für ihre Gefährdung mittlerweile bei den meisten fehle - "erschreckend", wie er findet. Als er etwa entgegen der Parteilinie gegen die Vorratsdatenspeicherung stimmte, habe er sich vorwerfen lassen müssen, er schütze die Kriminellen - "das unterscheidet den Liberalen vom Konservativen".
Das fehlende Profil der ÖVP
Dass er damit in der eigenen Partei aneckt, dessen ist er sich bewusst. Aber Ikrath ist ein Freund unbequemer Wahrheiten. So vermisst er, der Wirtschaftsbündler und Generalsekretär des Sparkassenverbandes, bei der ÖVP oftmals eine klare Linie, ein klares Profil. Den Grund dafür sieht er in der bündischen Struktur der Partei: Diese stamme aus den 50er Jahren, was damals "extrem gescheit" gewesen sei, mittlerweile aber dazu führe, dass die Partei zwecks innerparteilichem Interessenausgleich immer den kleinsten gemeinsamen Nenner suche.
In Deutschland wäre es für einen wie Ikrath wesentlich leichter: "Dort wäre ich nicht bei der CDU, sondern bei der FDP." Dass die ÖVP durch die Bünde so breit aufgestellt ist, führe in Österreich aber dazu, dass im bürgerlichen Lager kein Platz für andere - etwa klassisch liberale - Parteien sei, sagt er. Wobei das bürgerliche Monopol der Volkspartei auch hierzulande bröckelt, wie etwa das Auftauchen der Neos beweist.
Für Ikrath unverständlich: "Für die Neos dürfte es gerade in Wien eigentlich gar keinen Platz geben", findet er und wünscht sich für die Wiener ÖVP einen liberaleren Kurs - da scheint die politische Sozialisation bei den bunten Vögeln unter Erhard Busek unübersehbar durch.
Die Bürger im Rücken
Nach zehn Jahren im Nationalrat will es Ikrath nun noch einmal wissen. Dass er - eigentlich unnötigerweise - so intensiv Vorzugsstimmen sammelt, sieht er als persönliche Rückversicherung. Mit der Unterstützung der Bürger im Rücken will er auch weiterhin eine eigenständige Politik verfolgen. Zwar akzeptiere er den Klubzwang - "wenn man in einem Klub sein will, muss man sich auch an die Regeln halten" -, allerdings nicht unbedingt. Wo es um seine liberalen Grundsätze geht, will er weiter frei entscheiden, denn da sehe er sich seinem Gewissen und seinen Wählern verpflichtet.