Dominik Wlazny ist der einzige linke Kandidat bei den Wahlen für das erste Amt im Staate. Doch seine Anhänger treibt die Rache an.
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Dominik Wlazny: Vergleichsstudie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von intravenös appliziertem Azithromycin 1500 mg einmalig versus 500 mg täglich über 3 Tage bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie. Eine Diplomarbeit. Über die am Ort der Erwerbstätigkeit aufgerufene Lungenentzündung und ein Medikament, das Abhilfe schaffen soll. Abgegeben 2012. Abnehmer und das Werk positiv beurteilend: die Professoren und Professorinnen der Universitätsklinik für Innere Medizin in Wien. Soll heißen: Dominik Wlazny kennt sich im medizinischen Forschungsapparat aus; es ist anzunehmen, dass er sich auch heute noch über medizinische Forschung informiert und ein hervorragender Mediziner ist - ein Mann zudem, der auch Ursache, Wirkung und Kur zu seinen Interessen zählt.
Ursache und Wirkung der österreichischen Innenpolitik sind jedem aufmerksamen Staatsbürger bekannt. Über die Kur streitet man im Lande seit bald 40 Jahren, seit der FPÖ-Machtübernahme Jörg Haiders im Jahre 1986, hart und intensiv. Die nicht zu leugnenden Probleme im Zuge der starken Zuwanderung aus vordemokratischen und von religiösen Sitten geprägten Gesellschaften hat die Fronten der Lager radikal verhärtet. In dieser Gemengelage entschied Alexander Van der Bellen im Dezember 2016 den dritten Wahlgang zum Bundespräsidenten relativ knapp für sich. Fast die Hälfte der Wähler aber wählte Van der Bellens Gegenkandidaten Norbert Hofer von der FPÖ; einen Politiker einer Partei, die selbst von konservativen deutschen Medien inzwischen nicht mehr rechtspopulistisch alleine genannt wird, sondern mehr und mehr das Attribut rechtsextrem verpasst bekommt.
"Nicht mein Präsident" sagen jetzt andere
Keiner konnte damals ahnen, wie wichtig plötzlich das eher ruhige Amt des österreichischen Bundespräsidenten werden würde. Die lange Regierungskrise 2019 machte Van der Bellen - und wie er das Land in unruhigen Zeiten ruhig um die Klippen der politischen Instabilität schiffte - international bekannt. Die Welt erkannte einen Elder Statesman, wie die Welt solche braucht. Ja: Van der Bellen hat nun zuletzt auch ein paar seltsame Statements abgegeben - vor allem zur Jugend und der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise. Aber von der Nicht-mein-Präsident-Bewegung aus 2016 und 2017 ist nur mehr wenig zu hören.
Am radikalsten tun diese Äußerung heute nicht mehr die Anhänger der dieses Jahr zahlreich auftretenden Rechtsaußen-Kandidaten kund, sondern ausgerechnet die Anhänger des linken Kandidaten Dominik Wlazny, jenes eingangs erwähnten Mediziners, der nicht als Mediziner, sondern als Musiker und Kabarettist unter dem Pseudonym Marco Pogo einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Wlazny, so sagen die Umfragen, kann bei der Wahl, bei der es wohl nur bei einem Wahlgang bleibt, mit einem Achtungserfolg zwischen sechs und acht Prozent der Stimmen rechnen. Der Kandidat, der einst nur Spaß in die Politik bringen wollte, hat in der Politik bereits mit seiner Bierpartei eine Position als Bezirksmandatar in Wien eingeholt. Von einem Homo politicus, wie Van der Bellen einer ist, kann bei Wlazny nicht die Rede sein. Aber braucht Österreich, braucht dieses Amt überhaupt eine politerfahrenen Person?
Motivation: Rachean den Grünen
Die Antwort ist selbstredend ja. Doch viele Anhänger Wlaznys, von der Politik und den Politikern angewidert, sehen gerade die politische Unbedarftheit Marco Pogos als Voraussetzung, ihn zu wählen. Das Eigentliche jedoch, das die Wähler Wlaznys - die Mehrheit jener kommt aus der Urbanität der Städte - antreibt, ist die Rache an den Grünen, die Van der Bellen bei der ersten Wahl unterstützten und die nun in der beim Volk mehrheitlich unbeliebten Regierung den unbeliebten kleinen Koalitionspartner machen. Unter Wlaznys Sympathisanten finden sich auch sehr viele Stammwähler der SPÖ, die in Ermangelung eines SPÖ-Kandidaten dem Kabarettisten Wlazny den Vorzug geben.
Es sind also mehrheitlich ehemalige enttäuschte Wähler der Grünen und oft fanatische Sozialdemokraten, die hier die vielen Unterstützungserklärungen unterschrieben, die Wlazny einen Platz auf dem Stimmzettel sicherten. Von Wlazny verlangen sie in den Sozialen Medien nun hasserfüllt das, was Bundespräsident Van der Bellen nicht leisten wollte: die vom Volk gewählte ÖVP-dominierte Regierung so zu piesacken und zu terrorisieren, bis diese entnervt das Handtuch wirft. Nur: Das ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten. Und es ist auch ein zutiefst undemokratisches Ansinnen.
AntidemokratischeFantasien
Man könnte Wlazny und seine Wähler als absurde Polit-Petitesse hinstellen. Doch offenbaren seine Unterstützer, darunter viele Akademiker und politisch gebildete Menschen, wie wenig die Österreicher über Politik wissen, wie unzureichend die Informationen über Amt und Möglichkeiten des Präsidialamts sind und wie gefährlich auch antidemokratische Fantasien in den Köpfen Platz greifen. Anders gesagt: Die Wähler Wlaznys wünschen sich einen starken Mann im Amt, der in Österreich aufräumt. Die Frage, die Wlaznys Wähler sich nicht stellen, ist jene, was sie dann noch von den Gelüsten der Wähler des rechtsrechten und rechtsextremen Lagers unterscheidet. Ist das nun das oft aufgerufene Bild des Hufeisens, dessen Enden im radikalen Bereich auf gleicher Höhe aufeinandertreffen?
Der Wunsch nach dem Sturz der Regierung prägt die Wählerschaft Wlaznys und seiner Mit-Gegenkandidaten gleichsam. All diese Personen, links wie rechts, prägt das Verlangen nach Rache an der ÖVP, die für beide Unterstützerlager die Pest der Politik darstellt. Nun kann man reinen Herzens mit der Politik der ÖVP unzufrieden sein, kann die mangelnde Intellektualität der ÖVP-Politiker beklagen, darf die Generalsekretärin der Partei, Laura Sachslehner, als politisch tatsächlich völlig inkompetent brandmarken. Man kann, darf, soll auch festhalten, dass die Grünen in dieser unglücklich agierenden Regierung dem Koalitionspartner ÖVP nun schon länger als unerträglich lange die Stange halten. Doch für all das ist die nächste Nationalratswahl der Tag der Abrechnung - wenn man Abrechnung und Rache sucht. Aber nicht die Wahl des Bundespräsidenten, die man, so wie in Deutschland, längst der Bundesversammlung im Parlament überlassen sollte.