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Der Lissabonner Reformvertrag muss noch einige Hürden überwinden

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Mit der Abstimmung des tschechischen Unterhauses hat der Lissabonner Reformvertrag eine weitere Hürde genommen. Noch muss allerdings der tschechische Senat zustimmen, und selbst dann ist der neue EU-Vertrag noch nicht Realität. | Am wenigsten berechenbar ist der Ausgang der zweiten Volksabstimmung in Irland, wo es letztes Jahr ein deutliches Nein in der Frage gegeben hat. Jetzt überlegt aber auch der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof überraschend lange, ob der Vertrag von Lissabon überhaupt mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist.


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Immerhin würde der Vertrag von Lissabon einschneidende Änderungen bringen: Die Mehrheitsentscheidungen würden auf weite Bereiche wie die Polizei- und Justizzusammenarbeit der EU-Länder ausgedehnt - das Vetorecht eines einzelnen Mitgliedsstaats ginge verloren. Nur in nationalstaatlichen Kernkompetenzen wie Steuerrecht, Außenpolitik oder Verteidigung bliebe es erhalten. Bei der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen wäre jeweils Einstimmigkeit erforderlich. Also: Nur wenn die Staaten auf ihre Vetomöglichkeit verzichten, gilt auch in diesen Bereichen das Mehrheitsprinzip.

Sorge bereitet den deutschen Richtern, dass die EU dazu neigt, ihre Kompetenzen selbst auszuweiten. So hat der Europäischen Gerichtshof gerade erst die Mehrheitsentscheidung für die EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefoniedaten auf Basis von Binnenmarktregeln als rechtens erklärt. Ziel des Gesetzes ist freilich die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, was gut auch in die Kategorie Polizeizusammenarbeit fallen könnte und Einstimmigkeit erforderte.

Dennoch gilt es als unwahrscheinlich, dass die Richter in Karlsruhe das Dokument noch kippen werden. Die Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler ist dann reine Formalität. Stärker aufgestellt wäre hier der polnische Staatschef Lech Kaczynski. Doch der hat bereits erklärt, dass der EU-Reformvertrag an ihm nicht scheitern werde. Möglicherweise will er mit der Absegnung aber bis nach dem zweiten Referendum in Irland warten.

Irische Spitzenpolitiker denken darüber nach, wann das entscheidende Votum anzusetzen sei. Viele drängen auf eine Vorverlegung auf Juni, um die derzeit wohlwollende Stimmung der Iren gegenüber der EU auszunutzen. Offensichtlich hat die Wirtschaftskrise den Wert der EU-Mitgliedschaft drastisch erhöht.