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Der literarische Ungehorsam

Von Bernhard Baumgartner

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Dass die Zeiten besser waren, je weiter sie zurückliegen, ist eine Binsenweisheit. Das hindert Literaturnobelpreisträger Günter Grass (82) nicht daran, in einem Interview zu seinem neuerschienen Buch "Grimms Wörter" den Schriftstellern von heute ordentlich den Kopf zu waschen. Viel zu unpolitisch seien sie, meint er im "Spiegel": "Sie sollten nicht die Fehler der Weimarer Republik wiederholen und sich in privater Distanz halten." Themen wie Finanzkrise, Kinderarmut, Abschiebepraxis sowie die Armut kämen ihm viel zu selten aufs Tapet. "Junge Autoren müssen eine Haltung entwickeln und verlautbaren."


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Das regt natürlich zu Widerspruch, nicht nur weil wir in Österreich leicht reden haben. Gerade hierzulande gibt es verhältnismäßig wenige Autoren, die sich ein Blatt vor den Mund nehmen und Themen nicht angreifen, weil sie zu politisch sind. Das liegt nicht nur an einer gewissen Tradition, für die nicht zuletzt Elfriede Jelinek, wie Grass mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, steht.

Dass Grass in ein und demselben Interview seine Weigerung verkündet, Texte auch als E-Book herauszugeben, ist bemerkenswert. Er würde diese Entwicklung gerne stoppen, sagt er da. Genau das wäre seinem Anliegen jedoch entgegenlaufend. Denn die sogenannten neuen Medien machen es jungen Autoren leicht, sich zu artikulieren. Das Netz ist voll mit grantigen Texten heißblütiger Jungautoren. Man müsste sie nur lesen.