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Der Löwenanteil geht an Polen

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Die Landwirtschaft sichert generell das Überleben der Menschen. Vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union ist sie im Besonderen in den 13 mittel- und osteuropäischen Ländern, die einen EU-Beitritt beantragt haben, ein großer Wirtschaftssektor. Zur Umstrukturierung der dortigen Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes in Vorbereitung auf eine Mitgliedschaft macht die Union die Summe von 529 Millionen Euro - 7.279 Mill. Schilling - jährlich locker. Das Sonderprogramm SAPARD (Special Accession Programme for Agriculture und Rural Development) ist bis zum Jahr 2006 anberaumt.


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Noch bevor die EU-Landwirtschaft durch den Rinderwahnsinn und die Maul- und Klauenseuche in eine tiefe Krise stürzte, löste die Bedeutung des Agrarsektors in den Bewerberländern eine heftige Debatte über die Vor- und Nachteile eines EU-Beitritts aus. Die Landwirte legten dabei die mit Abstand geringste Begeisterung für die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft an den Tag. Insbesondere in Polen ist bisher die Bauernpartei mit ihrer Interessenpolitik stark aufgetreten. Was Wunder - hat doch Polen, das größte der potenziellen Beitrittsländer, die größte landwirtschaftliche Fläche. Abgesehen von der Türkei, mit der die EU erst eine Beitrittspartnerschaft geschlossen und noch keine Beitrittsverhandlungen aufgenommen hat. An Polen fließt auch der Löwenanteil der SAPARD-Mittel. Das Land ist in der wirtschaftlichen Umstrukturierung besonders gefordert, wie Franz Fischler, Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raums und Fischerei, nicht müde wird zu betonen.

Fall Polen

Jährlich zugeteilt werden - mit Abstand am meisten - an Polen 171,6 Millionen Euro (2.361,26 Mill. Schilling), für Rumänien sind es 153,2 Mill. Euro (2.108,62 Mill. Schilling). Bei den anderen Beitrittskandidaten betragen die SAPARD-Mittel zwischen 20 und 50 Mill. Euro im Jahr. Den geringsten Anteil hat Slowenien mit 6,4 Mill. Euro. Polen und Rumänien weisen auch einen hohen Prozentsatz von landwirtschaftlich genutzter Fläche auf: 58,3 Prozent bzw. 62 Prozent. Gemessen an der Gesamtfläche des Landes ist der Anteil der Landwirtschaft in Ungarn mit 66,5 Prozent am größten, am kleinsten in Zypern (14,5), Estland (23,1) und Slowenien (24,2 Prozent).

Zusätzliche Beschäftigung

SAPARD soll Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben der Beitrittskandidaten finanzieren helfen; dazu zählen (Lebensmittel-) Qualitäts-, Veterinär- und Pflanzenschutzkontrollen sowie der Verbraucherschutz, die aufgebaut bzw. verbessert werden sollen. Landwirtschaftliche Produktionsverfahren, die dem Umweltschutz und der Landschaftspflege dienen, sollen entwickelt werden. Vor allem gefördert werden soll die "Diversifizierung" wirtschaftlicher Tätigkeiten, um zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten oder Einkommensalternativen zu schaffen; etwa durch die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Wasserressourcen, Investitionen in der Forstwirtschaft bzw. Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen. Ebenso können die EU-Bewerberländer mit Hilfe von SAPARD Projekte zur Dorferneuerung sowie zum Schutz "des ländlichen Erbes" finanzieren. Die ländliche Infrastruktur soll verbessert werden. Nicht zuletzt sollen Grundbücher erstellt und aktualisiert werden. Das SAPARD-Programm ist für sieben Jahre, von 2000 bis 2006, angelegt.

Dezentralisierung

Entscheidend bei SAPARD ist, das Programm wird dezentral verwaltet. Schließlich sollen in den EU-Kandidatenländern gleichzeitig "verwaltungstechnische Kapazitäten" aufgebaut werden. Unterstützt werden die Koordinierungsstellen vor Ort durch Maßnahmen des Programms PHARE - ebenso wie SAPARD ein "Heranführungsinstrument", damit die Beitrittsländer ihren Verpflichtungen gegenüber der EU in den Handelsbeziehungen nachkommen können. Die PHARE-Mittel (1,5 Mrd. Euro/Jahr bis 2006) dienen zum Verwaltungsaufbau und zur Investitionsförderung. Die SAPARD-Stellen sind für die Durchführung der geförderten Programme zuständig; sie wählen die Projekte aus, kontrollieren sie und müssen über den Stand der Dinge berichten. Letzte Instanz ist die Europäische Kommission. Ihr sind die Projekte zur Genehmigung vorzulegen.

Die SAPARD-Finanzierung soll den EU-Bewerberländern helfen, das Gemeinschaftsrecht in der Gemeinsamen Agrarpolitik anzuwenden und länderspezifische Probleme zu beseitigen. Denn Voraussetzung für einen EU-Beitritt ist: Die mittel- und osteuropäischen Länder, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erst mit dem Aufbau von marktwirtschaftlichen Strukturen beschäftigt sind, müssen das gesamte EU-Recht - den "acquis communautaire" - übernehmen. Zum Zwecke der Beitrittsverhandlungen wurde der "acquis" in 31 Kapitel unterteilt. Die Verhandlungen über das Kapitel Landwirtschaft wurden mit den Ländern der "Luxemburger Gruppe", also Estland, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Zypern, im Juni des vergangenen Jahres eröffnet. Dass mit den sechs Ländern Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden, hat der EU-Rat in Luxemburg 1997 beschlossen - im Gegensatz zur "Helsinki Gruppe" von Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Slowakei und Malta (EU-Rat von Helsinki 1999).

Weitere Informationen über die Landwirtschaft in der EU und in den Beitrittskandidaten im Internet unter: http://europe.eu.int/comm/agriculture/.