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Der mächtigste Mann Russlands

Von Axel Reiserer

Politik

Moskau · "In Russland hat sich noch jeder Herrscher die Gesetze auf den Leib geschrieben, als wäre er unsterblich", sagt der russische Schriftsteller Alexander Kabakow. Die im Dezember 1993 | nach der gewaltsamen Ausschaltung des alten Parlaments durch Boris Jelzin in einer umstrittenen Volksabstimmung angenommene russische Verfassung bestätigt dies: Sie gewährt dem Präsidenten ein klares | Übergewicht gegenüber allen anderen Machtorganen.


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Bereits in Artikel 1 heißt es, der vom Volk gewählte Präsident sei das "höchste Organ des Staates" ist.

Der Präsident ist nicht nur der Repräsentant des Landes nach außen und oberster Vertreter der Exekutive, sondern hat auch eine Reihe legislativer Befugnisse. Er darf Gesetzesentwürfe im Parlament

einbringen. Zugleich muss jedes Gesetz vor dem Inkrafttreten vom Präsidenten unterzeichnet werden. Verweigert er seine Zustimmung, geht der Entwurf an das Parlament zurück, wo sein Veto nur mit

Zweidrittelmehrheit überstimmt werden kann.

Zu den Befugnissen des Präsidenten gehören die Ernennung des Ministerpräsidenten, die Entlassung der Regierung, die Auflösung der Staatsduma und die Verhängung des Ausnahmezustandes in jedem

Teilgebiet der Russischen Föderation. Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, entscheidet über Krieg und Frieden, er hat die Kontrolle über die Atomwaffen und kann eigene Dekrete und

Erlasse am Parlament und den Verwaltungsbehörden vorbei verfügen.

Der Präsident schlägt nach der Verfassung der Staatsduma einen Kandidaten seiner Wahl für das Amt des Ministerpräsidenten vor. Die Duma muss diesen Kandidaten praktisch akzeptieren, denn verweigert

sie einem Kandidaten drei Mal die Zustimmung, gelten das Parlament automatisch als aufgelöst und der Kandidat als angenommen. Der Präsident schreibt dann Neuwahlen aus. Die Abgeordneten dürfen nur

über den Regierungschef abstimmen, beim Austausch einzelner Minister haben sie kein Mitspracherecht.

Die Regierung legt als Exekutivorgan dem Parlament Gesetzesentwürfe vor und erläßt Dekrete zu ihrer Durchführung. Die Regierung kann vom Präsidenten entlassen oder von der Duma durch einen

Misstrauensantrag mit einfacher Mehrheit gestürzt werden. Dieser kann jedoch vom Präsidenten abgelehnt werden. Stimmt das Unterhaus aber erneut für die Absetzung der Regierung, kann der Präsident

innerhalb von drei Monaten entweder das Kabinett entlassen oder das Unterhaus auflösen.