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Der Machtkampf in Thailand tobt seit drei Jahren, ein Ende ist nicht in Sicht

Von Grant Peck (ap)

Analysen

Über Thailand liegt ein Hauch von Revolution. Vor dem größten Einkaufszentrum in Bangkok tanzen Demonstranten mit roten Fahnen auf zwei Schützenpanzern und fordern: "Demokratie!" Die Menschenmenge verlangt von den Soldaten die Schlüssel für die Panzer, was diese ablehnen. Danach ziehen die Demonstranten weiter und die Panzer fahren davon. Die Szene wirft ein Schlaglicht auf die verworrene Lage in Thailand. Viele Menschen fragen sich, wer eigentlich das Sagen hat. | Drei Jahre dauert nun schon die innenpolitische Unsicherheit in Thailand mit ständig wechselnden Regierungen. Damals wurde Ministerpräsident Thaksin Shinawatra von den Streitkräften gestürzt. Thaksin betrieb eine Sozialpolitik zugunsten der verarmten Landbevölkerung, mit der er sich zunehmend den Ärger der städtischen Elite zuzog.


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Aber seine Gefolgsleute gewannen die erste Wahl nach dem Militärputsch im Dezember 2007. Ein Jahr lang konnten sie sich an der Macht halten, ehe ihre Regierung unter dem Druck wochenlanger Massenproteste der "Gelben" gestürzt wurde. Jetzt sind es wieder die "Roten", die dem Thaksin-Lager zurück an die Macht verhelfen wollen.

Die Sicherheitskräfte reagieren verunsichert. Am Samstag durchbrachen einige hundert Demonstranten nahezu ungehindert eine Absperrung von Soldaten und Polizisten und erzwangen so den Abbruch des Asean-Gipfels in Pattaya. Der gedemütigte Gastgeber, Premierminister Abhisit Vejjajiva, rief daraufhin den Ausnahmezustand aus und drohte mit einem harten Durchgreifen der Armee. Doch dieses blieb bisher aus. Wie es politisch weitergeht, weiß niemand.

Die Hoffnung, dass das Land mit dem Machtwechsel und Abhisits Amtsantritt Abhisits im Dezember wieder zur Ruhe kommen werde, hat sich jedenfalls zerschlagen. Thaksins Anhänger zeigen deutlich, dass sie noch immer die Massen mobilisieren können - und bringen damit die neuen Machthaber in die Bredouille.

"Die Regierung und die Armee haben Angst überzureagieren", meint der Politikwissenschafter Thitinan Pongsidhirak von der Universität Chulalongkorn in Bangkok. "Sie wissen, dass sie verlieren, wenn sie Gewalt einsetzen. Möglicherweise sympathisieren aber auch einige in der Regierung und bei den Streitkräften mit Thaksin."

In der Vergangenheit erwies es sich in Thailand für die Beteiligten oft als nützlich, sich in bestimmten Momenten zurückzuhalten. Meist zahlte sich das dann bei einem Machtwechsel aus. Doch in den aktuellen Machtpoker sind so viele involviert, dass das Ergebnis unkalkulierbar scheint. "Es gibt so viele Gruppen", sagt der Historiker Charnvit Kasetsiri. "Es scheint niemanden zu geben, der im Establishment, in der Regierung oder bei der Armee das Heft in der Hand hat."

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