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Düfte lösen Gefühle aus. Marketingexperten nutzen daher den Geruchssinn zunehmend für sich.
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Wien. Es war nichts weiter als der zarte Duft nach frischen Orangen, der den Umsatz eines Schweizer Möbelhauses gleich um 20 Prozent steigen ließ. Das fanden Forscher der Universität St. Gallen und der Washington State University heraus, nachdem sie den Verkaufsraum 18 Tage lang mit dem Duft bestäubt hatten. Die etwas anspruchsvollere Mischung aus Orange, grünem Tee und Basilikum ließ die Verkaufszahlen indes sinken.
Düfte sind also nicht unbedingt positiv konnotiert, in jedem Fall aber lösen sie etwas in uns aus - und das meist unbewusst. Für Marketingexperten ist das eine willkommene Spielwiese. Laut einer Untersuchung Anja Stöhrs von der Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft bleiben Kunden in richtig bedufteten Verkaufsräumen deutlich länger und sind öfter bereit, sich von Verkäufern in ein Gespräch verwickeln zu lassen. Das lasse die Umsätze steigen. Der Handel nutzt den Geruchssinn daher zunehmend für sich. In großen Modehäusern ist er laut Österreichischem Werberat bereits Standard.
Warum gerade Orangendüfte die Kunden des Schweizer Möbelhauses zum Kaufen animierte, erklärt Andreas Tremmel, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in Wien, so: "Weil die anregenden Zitrusdüfte bewirken, dass man sich wohl fühlt." In Japan werde der Geruch von Orangen und Zitronen über Klimaanlagen sogar in Büros eingeschleust, weil er die Aufmerksamkeit steigere. Grundsätzlich lösten alle "verführerischen Düfte", zu denen auch Vanille, Ahornholz, Weihrauch und Rose zählten, positive Gefühle aus. Sobald man sie einatme, fühle man sich wohl, sagt Tremmel zur "Wiener Zeitung".
"Die Nase ist nicht abschaltbar"
Der romantische Rosenduft komme in Verkaufslokalen zum Beispiel in der Damenmode-Abteilung zum Einsatz, so Tremmel. In Reisebüros wiederum soll der Duft nach Meerwasser und Sonnenmilch zum Buchen verleiten, in Schuhgeschäften und Autohäusern jener nach edlem Leder. Bei Lebensmitteln intensiviere man auch oft einen bereits vorhandenen Geruch wie jenen nach frischem Brot, Kaffee oder Obst, um die Kauflust zu steigern.
Das Prinzip dahinter scheint so einfach wie logisch. "Die Nase ist nicht abschaltbar", sagt Tremmel. "Solange wir atmen, riechen wir." Der Geruchssinn als jener unserer fünf Sinne, über den wir am wenigsten wissen, habe uns durch die Menschheitsgeschichte geleitet. Er helfe uns, paarungsbereite Partner zu finden, und warne gleichzeitig vor Gefahren. Der Mensch kann laut Tremmel mehrere 1000 Gerüche unterscheiden und im Gedächtnis behalten.
Die Idee, das für ein Marketingkonzept zu nutzen, kommt aus Amerika. Die erste Marke, die Duftmarketing offensiv einsetzte, war das Modeunternehmen Abercrombie & Fitch (Tochterunternehmen Hollister), dessen Kleidungsstücke man quasi am Geruch erkennen soll. In diesem Fall ist es der süßliche Geruch des Parfüms "Fierce" ("wild"). In Österreich gründete Oswin Lippitsch 1998 das erste heimische Duftmarketing-Unternehmen, das heute "Aromea AirDesign" heißt.
Ein Logo für die Nase
Mittlerweile gehe es nicht mehr nur darum, Produkte mit gewissen, zum Kauf anregenden Düften zu versehen, sagt Lippitsch. Heute seien es Geheimduft-Kombinationen, die Marketingexperten für eine bestimmte Marke oder auch Hotelketten kreieren, und die ein Kunde ausschließlich mit diesen verbinden soll. Ein typischer Wohlfühl-Geruch also, auf den man den Kunden konditioniert. Ein Logo für die Nase. Laut Lippitsch wird er knapp über der Wahrnehmbarkeitsschwelle zum Beispiel über das Belüftungssystem oder Duftsäulen eingebracht. "Wir sind Nasentiere", sagt er. "Wir tragen eine Dufterinnerung in uns, die uns an Orte, Geschehen und Gegebenheiten erinnert."
Dass man den Kunden mit Duftmarketing unbewusst manipulieren könnte, nimmt Lippitsch dabei in Kauf. "Das macht jede Form der Werbung", sagt er. "Auch mit ,normalen‘ Marketingtools wie Plakaten will man ja eine Verhaltensänderung bewirken."
Michael Straberger, Präsident des Werberates, sieht Duftmarketing ebenfalls unkritisch. "Ich erkenne keine Beeinflussung der Kunden, die ethisch bedenklich wäre", sagt er. Es stehe jedem zu, die Atmosphäre in seinem Verkaufslokal angenehm zu gestalten - mit Musik, Farben oder eben Düften. Das alles seien Werbemittel, "die man der Wirtschaft zubilligen muss". Beim Werberat sei jedenfalls noch keine Kundenbeschwerde in diese Richtung eingegangen. Beim Konsumentenschutz auch nicht, heißt es von der Arbeiterkammer Wien. Wer sicher gehen will, nicht über Düfte manipuliert zu werden, der muss dann also wohl online einkaufen.