Zwölf Monate Haft für Sammler von Elefantenstoßzähnen, vier davon unbedingt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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Wien. Herr B. ist eine dieser Angeklagten, die wirklich gerne reden. Wie aus einem Wasserfall strömen die Worte aus ihm heraus, sich unerbittlich über die Zuhörer ergießend. Selbst seinen Verteidiger Peter Philipp bringt das zum Verzweifeln. Hinter seinem Mandanten sitzend, stupst er ihn mit dem Kugelschreiber an. "Du brauchst nicht so viel reden!", ermahnt er B. gleich mehrmals. Ohne Erfolg. Der Redeschwall ist einfach nicht zu stoppen. Philipp gibt auf, lässt sich in seinen Sitz zurückfallen und atmet tief aus. Halb belustigt, halb resigniert, schüttelt er den Kopf.
Die ausufernde Gesprächsfreudigkeit ist nicht die einzige Eigenheit seines Mandanten. Denn B. ist auch ein notorischer Elfenbeinsammler, was ihm am Freitag am Wiener Straflandesgericht einen - nicht rechtskräftigen - Schuldspruch einbrachte. Einzelrichterin Martina Spreitzer-Kropiunik verurteilte B. nach dem Artenhandelsgesetz zu zwölf Monaten Haft, vier davon unbedingt, weil er unbefugterweise Elefantenstoßzähne besessen haben soll. Bei einer Hausdurchsuchung im November 2016 in Wien waren bei ihm 88 solcher Zähne gefunden worden.
Der Besitz von Elfenbein ist nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen verboten. B. bestreitet den Besitz auch gar nicht. Zeugen berichteten im Verhandlungsverlauf darüber, wie B. ihnen die Sammlung bei Besuchen sogar voller Stolz präsentiert habe. Auch B.s Aussagen ließen mehrfach erkennen, wie viel sie ihm bedeutet: "Ich habe die Stoßzähne mit Milch gewaschen, damit sie nicht springen", erklärte er etwa seine Reinigungstechnik.
Umstrittener Titel
Der Angeklagte behauptet jedoch, dass er das Elfenbein bereits 1979 von einem befreundeten Ägypter gekauft hat. Stimmt das, wäre der Besitz straflos, da das Artenschutzübereinkommen damals noch nicht in Kraft war.
Der Ägypter konnte dazu nicht befragt werden, da er bereits verstorben ist. Seine Tochter und sein bester Freund gaben allerdings übereinstimmend an, dass der Ägypter überhaupt nichts mit Elfenbein zu tun gehabt hatte. B. beklagte sich, dass diese zwei Zeugen lügen würden.
Gegen seine Version sprechen auch andere Beweise. So hatte B. bei einer seiner ersten Befragungen noch angegeben, dass er das Elfenbein nach und nach auf "Flohmärkten" gekauft hat. Zudem befanden sich auf einigen Zähnen Euro-Preisschilder.
Im Zuge der Verhandlung gelang es ihm auch nicht, an anderer Front seine Situation zu verbessern. B. behauptet, 1975 in Kairo Boxweltweister geworden zu sein. Dem Gericht präsentierte er sogar den im Kampf angeblichen errungenen Gürtel. Richterin Spreitzer-Kropiunik ließ den Gürtel einziehen, die Staatsanwaltschaft klagte B. wegen Fälschung eines Beweismittels an.
Denn es gibt Ungereimtheiten. Den Verband, der laut B. den Kampf ausgetragen hat, gibt es erst seit 1981. Auf einschlägigen Boxseiten im Internet findet sich nirgendwo B.s Name. Und auch der Präsident der "African Boxing Union" erklärte auf Nachfragen der Staatsanwaltschaft, nie etwas von B. gehört zu haben.
Als "notorischen Lügner, Blender und Scharlatan" bezeichnete Staatsanwalt Bernhard Mascha den Angeklagten in seinem Schlussplädoyer. Menschen wie B. würden die Artenvielfalt zerstören: "Alle 20 Minuten wird ein Elefant wegen seiner Stoßzähne getötet", so der Ankläger.
Volle Berufung
Spreitzer-Kropiunik zeigte sich überzeugt, dass sich B. die Zähne nach Inkrafttreten des Artenschutzübereinkommens zugelegt hat. Eine teilbedingte Haftstrafe sei notwendig. Das liege an der exorbitant großen Menge - es war laut Mascha der zweitgrößte Aufgriff von Elfenbein in Europa, den es jemals geben hat. Und an B.s uneinsichtigem Verhalten: "Ihm eine gänzlich bedingte zu geben, wäre ein Freibriefschein für ihn zu sagen, da war nix." Sie schloss zudem aus, dass B. eine elektronische Fußfessel bekommt.
Hinsichtlich des umstrittenen Boxweltmeistertitels gab es noch keine Entscheidung. Nach Ansicht der Richterin war dieses Faktum noch nicht spruchreif. Der Staatsanwaltschaft wurde daher in diesem Punkt die weitere selbständige Verfolgung vorbehalten.
Einverstanden mit dem Urteil war B. nicht. Mehrmals unterbrach er die Richterin während der Urteilsbegründung, auch auf ihre Ermahnungen reagierte er nicht. "Jetzt halten Sie doch einmal den Mund", platzte es aus der Richterin heraus. Aus Protest verließ B. vorübergehend den Saal, den er erst zur Rechtsmittelbelehrung wieder betrat. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, Philipp meldete volle Berufung an.