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Der Mann hinter Ibiza

Von Raffael Reithofer

Politik

Am Mittwoch könnte es ein Urteil im Prozess gegen Ibiza-Hintermann Julian Hessenthaler geben.


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Gewissermaßen könnte man Julian Hessenthaler als Regisseur des Ibiza-Videos bezeichnen - jener Filmaufnahmen, die nach ihrer Veröffentlichung Mitte Mai 2019 die österreichische Innenpolitik auf den Kopf gestellt und unter anderem zum Rücktritt des bisherigen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) geführt haben.

Der Privatdetektiv Hessenthaler hat sich das Konzept für das Video überlegt, die falsche Oligarchennichte als Lockvogel organisiert und die versteckten Kameras am Drehort - einer Finca nahe des ibizenkischen Orts San Rafael - montiert. Nun steht er vor Gericht.

Seit Anfang September läuft gegen Hessenthaler am Landesgericht St. Pölten ein Strafverfahren. Allerdings nicht wegen des Ibiza-Videos, sondern wegen Drogenvorwürfen. Es ist auch die offizielle Darstellung der Behörden, dass das gegenständliche Verfahren nichts mit dem Ibiza-Video zu tun hat. Beobachter hegen daran jedoch Zweifel.

Verbindungen mit Ibiza?

Beispielsweise kritisiert die österreichische Filiale der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der "Wiener Zeitung", dass bereits im Ermittlungsverfahren "17 Polizeibeamtinnen und -beamte dafür abgestellt wurden, die Anklage von Julian Hessenthaler zu formulieren und ihn quer durch ganz Europa zu verfolgen, während nur drei Beamtinnen und Beamte den Vorwürfen nachgegangen sind, die im Zuge des Ibiza-Videos gegen Heinz-Christian Strache laut wurden".

Auch der renommierte Menschenrechtsexperte Manfred Nowak sagt zur "Wiener Zeitung": "Ich glaube, es kann als erwiesen angesehen werden, dass die Causa wahrscheinlich nie ans Tageslicht gekommen wäre, wenn der Herr Hessenthaler nur ein kleiner Drogendealer gewesen wäre." Tatsächlich hat sich Julian Hessenthaler nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos nach Deutschland abgesetzt, wo ihn die Polizei in Berlin im Dezember 2020 wegen des Verdachts des Suchtgifthandels festgenommen hat. Sein Anwalt Oliver Scherbaum vertritt in einem ORF-Interview die Ansicht, dass die österreichischen Ermittler den Drogenhandel deshalb in den Raum gestellt haben, um Hessenthalers im Ausland habhaft zu werden: "Diese verbotenen Aufnahmen in Spanien (das Ibiza-Video, Anm.) hätten nie zu einem europäischen Haftbefehl geführt. Dazu ist das Delikt mit zu wenig Strafe bedroht und der Unrechtsgehalt zu gering bemessen. Das heißt, man brauchte größere, schwere Tatvorwürfe."

Der Menschenrechtsjurist Nowak hält diese Sichtweise für plausibel. Unabhängig von der Plausibilität der Drogenvorwürfe ist es auffällig, dass Polizei und Staatsanwaltschaft im Fall Hessenthaler mit außergewöhnlicher Akribie ermittelt haben, wie die 17 in den Ermittlungen eingesetzten Exekutivbeamten zeigen.

Urteil könnte folgen

Doch auch an der Substanz der Vorwürfe gibt es Zweifel. Konkret ist Hessenthaler unter anderem dafür angeklagt, 2017 und 2018 insgesamt 1,25 Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 Prozent in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben haben.

Damit soll Hessenthaler der Anklage zufolge Schulden beglichen und seine triste finanzielle Situation aufgebessert haben. Jedoch hat sich im Prozess gezeigt, dass sich die Aussagen der beiden Zeugen Slaven K. und Katharina H. widersprechen. Merkwürdig ist auch, dass K. und ein weiterer Informant laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" insgesamt 55.000 Euro von Gert Schmidt, einem unter anderem für die Novomatic tätigen Lobbyisten, erhalten haben. Im Ibiza-Video kommt der Glücksspielkonzern nicht gut weg: "Novomatic zahlt alle", sagt Strache auf dem Video und sprach damit mutmaßliche Spenden des Konzerns an politische Parteien an, deren Existenz immerhin zum Teil und indirekt über Vereine durch den Ibiza-U-Ausschuss auch belegt wurden. Prozessbeobachter gehen jedenfalls davon aus, dass es am Mittwoch ein Urteil gibt. Zuletzt war Hessenthaler erkrankt ausgefallen.