Salzburgs Bürgermeister Schaden hielt sich mit politischer Flexibilität im Amt.
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Salzburg. Heinz Schaden wird die Notbremse vielleicht bald wieder brauchen. Wenn ihn die Salzburger bei der Bürgermeister-Direktwahl am Sonntag - oder zwei Wochen später in einer Stichwahl - ein viertes Mal zu ihrem Bürgermeister wählen, kommen auf Schaden einige heikle Entscheidungen zu. Und in der Vergangenheit hatte Schaden für solche Projekte eine verlässliche Patentlösung: den Griff zur Notbremse.
Das geschah etwa im Herbst 2012 in der Diskussion um ein umstrittenes Bauprojekt. Dieses hatte das Potenzial, den Status Salzburgs als Weltkulturerbe-Stadt zu gefährden. Von einer "überraschenden Wende" berichteten Salzburger Medien damals, der SPÖ-Politiker hatte die Entscheidung über das Projekt von der Tagesordnung des Gemeinderats gesetzt. Er wollte eine Stellungnahme der Weltkulturerbe-Kommission abwarten. Die ist längst da, das Projekt liegt aber immer noch auf Eis und ist lebhaftes Diskussionsthema im Wahlkampf.
Als die grüne Bürgerliste im vergangenen Frühjahr eine von SPÖ und ÖVP favorisierte Lösungsvariante für die leidigen Verkehrsprobleme in der Altstadt nicht mittragen wollte, kam er wieder, der Griff zur Notbremse. Schaden entzog dem eigentlich zuständigen Bürgerlisten-Stadtrat Johann Padutsch die Verantwortung und übergab sie an VP-Stadträtin Claudia Schmidt. Dieses Projekt ist aufgrund Schadens Notbremse inzwischen umgesetzt.
Aktuell deutet wenig darauf hin, doch nach der Wahl könnte die Notbremse wieder zum Einsatz kommen. Im Laufe des Wahlkampfs verstärkte sich der Widerstand gegen den geplanten Ausbau einer Garage im Mönchsberg. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, die rasch Unterstützung gewinnt. Einerseits aufgrund intransparenter Entscheidungsvorgänge, andererseits da der Ausbau mit fragwürdigen Zahlen argumentiert wird.
Noch ist Schaden gelassen. "Da ist von der Beschlusslage her der Zug abgefahren", sagt er zur "Wiener Zeitung". "Abgesehen davon gehe ich davon aus, dass das Projekt eine überwiegende Zustimmung bei den Salzburgern findet." Sollte sich an dieser Tatsache etwas ändern, ist es gut möglich, dass Schaden von diesem fahrenden Zug aber wieder herunterspringt.
Der 59-Jährige hat schon mehrmals bewiesen, dass es bisweilen der politischen Lebensdauer zuträglich ist, seine Meinung zu ändern. Das widerspricht zwar dem Slogan auf den Wahlplakaten - "Ein sturer Hund, aber total verlässlich". Ein wankelmütiger Geist ist Schaden aber dennoch nicht. Sonst würde er keine Notbremse brauchen, sondern die Projekte von Anfang an distanziert betrachten.
Bis zum Griff zur Notbremse verfolgt er die Projekte durchaus leidenschaftlich, um sich dann von den Zweifeln überzeugen zu lassen. Mit dieser Strategie hält sich der gebürtige Grazer seit 15 Jahren an der Spitze der Stadt, solange wie seit Mitte des 19. Jahrhunderts kein Bürgermeister in Salzburg. Sagenhafte Großprojekte gab es in dieser Zeit, abgesehen von mehreren gescheiterten Olympia-Bewerbungen, keine.
Auch diese Olympia-Bewerbungen, für die Schaden schließlich mit letztem Einsatz kämpfte, inklusive Tränenvergießen bei der Abstimmungsniederlage gegen Sotschi, waren nicht seine Ideen, sondern gingen ursprünglich auf eine Initiative des Landes zurück.
Mit letztem Einsatz kämpfen heißt bei Schaden bisweilen auch Aktionismus. Erst im Dezember verteilte er im Kampf für den Salzburger Flughafen Flyer in der Innenstadt, vor zweieinhalb Jahren seilte er sich aus Widerstand gegen eine Stromleitung über den Salzburger Hausberg Gaisberg vor der Eröffnung der Salzburger Festspiele neben dem Festspielhaus ab.
Pragmatismus statt Visionen
Bei allem Aktionismus profilierte sich Schaden dennoch mehr als souveräner Verwalter denn als großer Visionär. Schaden profilierte sich eher als souveräner Verwalter denn als großer Visionär. Das lässt sich auch an seinen Zielen für die restlichen Jahren seiner Amtszeit ablesen - ein neuerliches Antreten hat Schaden bereits ausgeschlossen: Projekte wie eine Komplettsanierung der städtischen Seniorenheime und ein Bildungscampus für Drei- bis Zehnjährige mögen sinnvoll sein, lösen aber keine Begeisterungsstürme aus.
Gleiches gilt für das in den letzten Jahren sanierte Stadtbudget. Bei Schulden von 140 Millionen Euro sitzt die Stadt auf Rücklagen von 100 Millionen Euro. Diese Zahlen waren nur dank der Zusammenarbeit mit der Bürgerliste möglich, lobte Schaden erst kürzlich die Grünen, denen er die Solidarität in Verkehrsfragen mittels Notbremse entzogen hatte. "In den Krisenjahren 2010 und 2011 haben wir das Budget saniert und jeweils mit ganz knapper Mehrheit durchgebracht. Immer mit Rot-Grün", sagt Schaden.
Regieren ohne Koalition
Eine Koalition gibt es in der Stadt trotzdem nicht. Schaden sucht sich die Mehrheiten, wie er sie braucht, oder er macht ohne Mehrheiten Politik. So wie beim umstrittenen Thema der Bettler in der Altstadt. Die SPÖ unterstützt weder das von ÖVP und FPÖ propagierte, räumlich begrenzte Bettel-Verbot noch die von der Bürgerliste angedachte verstärkte Betreuung der vorwiegend aus Osteuropa kommenden Armutsmigranten.
"Dieses Problem kann nur in den Herkunftsländern gelöst werden", sagt Schaden. "Das Einzige, was ich von der Bevölkerung verlange, ist Geduld. Es wird Jahre dauern bis sich das Armutsgefälle vielleicht irgendwann verändert. Aber es gibt mehr und mehr Druck auf die Herkunftsländer vonseiten der EU und OSZE. Rumänien und Bulgarien sind in Wirklichkeit froh, dass sie das Problem abschieben können."
Zu diesem Thema hat er bereits auf EU-Ebene interveniert und steht in Kontakt mit deutschen Städten. Abgesehen davon hat Schaden das immer wieder kolportierte Interesse an überregionalem politischem Engagement verloren. Bürgermeister sei definitiv seine letzte politische Funktion, hatte Schaden schon vor dem Wahlkampf angekündigt.
Doch auch da droht ihm in nächster Zeit noch Ungemach. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit dem Salzburger Finanzskandal unter anderem gegen Schaden. Beim Auslöser, der Übernahme von Zinstauschgeschäften der Stadt durch das Land, handelt es sich zwar nur um einen Nebenschauplatz der gesamten Causa.
Doch gerade das brachte die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Aufgrund des relativ überschaubaren Themas soll noch heuer über eine Anklage entschieden werden. Bei diesem Thema ist Schaden Passagier - ganz ohne Notbremse. Folgerichtig will er sich dazu unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen auch nicht äußern.