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"Der Markt gibt nicht so viel her"

Von Karl Leban

Wirtschaft
Für Bank-Austria-Chef Willibald Cernko ist eine partielle Abgabe nationaler Souveränität unabdingbar für die Lösung der Euro-Schuldenkrise: "Wir sehen uns dann in einem größeren Kontext."
© © WZ / Newald

Bank-Austria-Chef teilt IWF-Kritik, dass Österreich zu viele Banken und Filialen hat.


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"Wiener Zeitung": Stichwort Schuldenkrise, was halten Sie von den Beschlüssen beim jüngsten Euro-Gipfel?Willibald Cernko: Ich sehe sie grundsätzlich positiv. Jetzt gibt es erstmals eine Chance, dass wir einen Schritt weiterkommen. Das Entscheidende ist der ernstzunehmende Versuch, die Schicksale von Banken und Staaten voneinander zu trennen, um so die Teufelsspirale zu durchbrechen. Es ist ein wichtiger Punkt, dass man angeschlagene Banken nun direkt über Strukturen wie den ESM, den Europäischen Stabilitätsmechanismus, rekapitalisieren will.

Wo hakt es bei den Bestrebungen, die Krise zu lösen, aus Ihrer Sicht noch am meisten?

Was mir fehlt, sind konkrete Vorstellungen und Ideen zum Fiskalpakt. Wir gehen in Richtung einer Bankenunion, aber in Richtung Fiskalpakt ist die Zurückhaltung noch sehr groß. Wir brauchen da einen genauen Fahrplan, um Schritt für Schritt dorthin zu kommen. Am Ende dieses Prozesses können dann konkrete Überlegungen etwa zu Eurobonds und einer Bankenunion stehen. Ohne Fiskalpakt keine Eurobonds und auch keine Bankenunion. Europa muss sich zuerst fixe Spielregeln geben. Und damit müssen auch Sanktionen bei Verfehlungen einhergehen.

Parallel dazu brauchen wir so etwas wie eine Krisenfeuerwehr. Das kann der ESM sein, aber auch die Europäische Zentralbank. Es muss irgendjemanden geben, der in der Lage ist zu intervenieren. Und der ESM ist ja vom Grundgedanken her nichts anderes als eine Art Währungsfonds wie der IWF. Man stelle sich vor, der IWF müsste alle 187 Mitgliedsregierungen befragen, bevor er irgendwo einen Stützungskredit gibt. Er wäre nie aus den Startlöchern gekommen. Das heißt, wir müssen auch für den ESM eine klare Geschäftsordnung festlegen, unter welchen Bedingungen er direkt intervenieren, Banken rekapitalisieren und Staatsanleihen kaufen darf. Und wenn er Kapital bereitstellt, muss er auch bestimmte Auflagen erteilen können - zum Beispiel, dass der Bankensektor zu konsolidieren ist.

Viele sagen, Europa muss auf alle Fälle stärker zusammenwachsen.

Auch ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein stärker integriertes Europa die positive Alternative für uns darstellt, vor allem auch für die Staaten, denen es heute noch deutlich besser geht. Ich bin aber kein großer Freund von Begrifflichkeiten wie die "Vereinigten Staaten von Europa". Europa lebt durch seine Vielfalt. Was wir aber brauchen, ist ein gemeinsames Verständnis in wesentlichen Fragen. Wir müssen Eckpunkte in der Fiskalpolitik definieren, die Steuerpolitik harmonisieren und müssen ein gemeinsames Verständnis über Wachstumsinitiativen und in der Sozialpolitik, etwa bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, entwickeln. Hier geht es natürlich um eine partielle Abgabe von nationaler Souveränität, aber am Ende ist das durchaus überschaubar. Wir sehen uns dann einfach in einem größeren Kontext. Eine stärkere Integration, die in wesentlichen Punkten Gemeinsamkeit herbeiführt, ist die Zukunft für Europa.

Vielen Bankern liegt das Thema Finanztransaktionssteuer schwer im Magen. Ihnen auch?

Wenn man diese Steuer politisch will, muss man sie global einführen. Die Minimalhürde wäre, es europaweit zu machen. Ich verstehe den Handlungsdruck, den die Politik hier verspürt. Und ich verstehe auch die Überlegungen einiger weniger Länder, die die Steuer jetzt einführen wollen. Nur glaube ich, dass das letztlich in eine Sackgasse mündet, weil wir feststellen werden, dass jene Länder profitieren, die das eben nicht tun. Kurzfristig mag das für das Budget des einen oder anderen Staates etwas bringen, langfristig wird sich aber bestimmtes Geschäft aus diesen Märkten verabschieden. Es findet dann woanders statt. Im Moment halte ich die Steuer für keine kluge Idee.

Seit Jahren wird an Krisenlösungen gebastelt. Das nach wie vor hochaktuelle Thema der privaten Altersvorsorge ist dabei völlig auf der Strecke geblieben.

Das sehe ich auch so. Im Gegensatz zu früher vermisse ich heute ein klares politisches Bekenntnis zur privaten Vorsorge - in dem Sinn, dass man sie unterstützt und attraktiv macht. Die Angebote, die es einmal gegeben hat, sind entweder so nicht mehr existent oder sind nicht so aufgegangen, wie sie konzipiert waren. Wir brauchen aber die private Vorsorge, weil der Staat bei der Finanzierung der Pensionen bald an seine Grenzen stößt. Dieses Thema verdient es, wieder ganz nach vorne gebracht zu werden. Wenn man Prämien oder Förderstützungen wie bei der Zukunftsvorsorge streicht, wird das System damit tödlich verletzt.

Der IWF hat zuletzt in seinem Österreich-Länderbericht kritisiert, die heimischen Banken hätten in Osteuropa zu rasch expandiert und sich damit zu viele Risiken aufgehalst.

Wir haben dort nicht spekulative Geschäfte gemacht, sondern private Haushalte und die Wirtschaft finanziert. Dass die österreichischen Banken als Erste die Chance in diesen Märkten wahrgenommen haben, ist nicht nur für sie von Vorteil, sondern für die gesamte heimische Wirtschaft. Wir haben immerhin mitgeholfen, 130.000 Arbeitsplätze im Land zu schaffen, weil wir die Unternehmen in diese Märkte begleitet haben. Man vergisst diese positiven Dinge immer. Dass wir hier Risiken haben, ist unbestritten. Es ist aber auch unbestritten, dass wir seit ein paar Jahren ein deutlich selektiveres Wachstumsmodell haben, das darauf abgestellt ist, dass die Osteuropa-Töchter ihre Refinanzierungen weit stärker im eigenen Land akquirieren, um nicht alles aus der österreichischen Holding heraus refinanzieren zu müssen. Da haben wir große Fortschritte gemacht.

Der IWF hat aber auch eine Konsolidierung des österreichischen Bankensektors wegen dessen geringer Ertragskraft dringend angeraten.

Ich teile seine Meinung, dass Österreich overbanked und overbranched ist, also zu viele Banken und Filialen hat. Zum einen muss es möglich sein, volkswirtschaftlich nicht relevante Geschäftsteile aus dem Markt zu nehmen - siehe ÖVAG. Zum anderen hat die Filiale weiterhin Zukunft. Was aber auf der Agenda steht: Wir müssen uns viel mehr mit alternativen, kosteneffizienten Filial-Formaten und mit alternativen Service- und Dienstleistungsangeboten auseinandersetzen. Ich sehe vor allem die Klein- und Kleinstfilialen, von denen es viele gibt, sehr stark unter Druck. Die drücken auf die Profitabilität und die Rentabilität - und dort wird es auch immer schwieriger, die Qualität aufrechtzuerhalten und die Kosten in den Griff zu bekommen.

Die mittleren und größeren Filialen haben jedoch Perspektiven, weil es das Beratungsgespräch auch künftig geben wird und man dafür einen Tisch braucht, wo man sich zusammensetzt. Wir müssen uns um alternative Konzepte bemühen, E-Banking, Mobile Banking, neue Medien weiterentwickeln - das Service für Kunden muss auf gleich hohem Niveau bleiben, nur eben über andere Kanäle. Wir brauchen mehr Erträge, um angesichts der Basel-III-Vorschriften unsere Eigenkapitalbasis zu stärken. Heute ist die Profitabilität des österreichischen Bankgeschäfts nicht gerade brüllend. Der Markt gibt nicht so viel her, daher muss man auch bei den Kosten ansetzen.

Wie ist das erste Halbjahr für die Bank Austria gelaufen?

Unsere Zahlen geben wir am 3. August bekannt. Vorerst kann ich so viel sagen: Das erste Halbjahr war insgesamt positiv - mit einem stärkeren ersten und einem schwächeren zweiten Quartal, wobei die Entwicklung in Österreich und Osteuropa ähnlich war. Die Risikokosten haben sich weiter günstig entwickelt. Aber auf der Finanzierungsseite haben wir eine schwache Nachfrage gesehen. Die Unternehmen sind sehr zurückhaltend mit Investitionen - stärker noch als vor wenigen Monaten. Die Stimmung ist deutlich schlechter geworden.

Bei der Unicredit ist das vom russischen Milliardär Michail Fridman kontrollierte Londoner Investmenthaus Pamplona mit fünf Prozent bereits zweitgrößter Aktionär. Muss die Bank-Austria-Mutter eine feindliche Übernahme befürchten, wie in Medien kolportiert wird?

Nein, Pamplona hat sich eindeutig deklariert: Der Einstieg ist ein freundlicher Schritt. Wir sind offen für alle, die an unserem Unternehmen langfristiges Interesse haben. Die Gruppe hat dabei eine klare Spielart: Es gibt eine Stimmrechtsbeschränkung mit fünf Prozent, und das sorgt für eine breit gestreute Aktionärsstruktur.

Willibald Cernko (56) ist seit Oktober 2009 Vorstandschef der Bank Austria. Groß geworden in der Creditanstalt (CA), ist der mit einer serbischen Pianistin verheiratete Manager seit mittlerweile 29 Jahren im Bankgeschäft tätig.