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Der Markt hat doch nicht immer recht

Von Hermann Sileitsch

Europaarchiv
Nicht die Währung, sondern der Zusammenhalt der Eurozone ist auf dem Prüfstand: Münzprägung in Paris. Foto: corbis

Fragen und Antworten zu den Nöten der Eurozone. | Primär eine Krise der Institution - nicht der Währung. | Was bedeutet die Krise für unsere Währung: Ist der Euro nichts mehr wert? *


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Auch wenn oft vereinfachend von der "Euro-Krise" geschrieben wird: Es handelt sich um keine Währungskrise, sondern um eine institutionelle Krise der Währungsgemeinschaft - ausgelöst durch hohe Schulden und massive Bankenprobleme in einigen Ländern wie Griechenland und Irland. Der Euro hingegen ist gemessen am Dollar beim aktuellen Kursstand (knapp unter 1,39 Dollar) sogar stärker bewertet als während des Großteils seiner zwölfjährigen Historie.

Woher rühren die Probleme der Währungsunion? *

Einige Ökonomen hatten vor der Geburt des Euro gewarnt, dass eine Währungsunion nur funktioniert, wenn auch die Wirtschafts- und Steuerpolitik eng abgestimmt sind. In der Union können die Mitglieder nämlich nicht mehr mit Währungsabwertungen auf Schocks reagieren. Die Euro-Erfolge - niedrige Zinsen für alle Mitgliedsländer, stabiler Außenwert - schienen diese Kritiker zu widerlegen: ein Irrtum.

Aber auch die Marktmeinung lag gehörig daneben: So hatten Investoren nach dem Euro-Start etwa das Risiko griechischer Schuldpapiere viele Jahre lang völlig unterschätzt. Jetzt übertreiben sie in die andere Richtung: Weil die Investition als hochriskant gilt, verlangen sie horrende Zinsen.

Zu diesen Konditionen können sich Griechenland, Irland - und bald auch Portugal - keine neuen Kredite mehr besorgen, ohne noch tiefer in die Schuldenfalle zu geraten. Auf diese Probleme war die Eurozone schlicht nicht vorbereitet.

Was hat die Eurozone bisher unternommen? *

Die wichtigste Reaktion war, dass die EU, die Euro-Partner und der Währungsfonds an die Stelle der risikoscheuen Investoren getreten sind. Mit Hilfskrediten (insgesamt 110 Milliarden Euro für Griechenland) und dem Euro-Rettungsschirm (nominell 750 Milliarden Euro, daraus rund 63 Milliarden für Irland) finanzieren sie vorübergehend den Geldbedarf dieser Länder.

Die Hilfe ist freilich nicht geschenkt: Die Geldgeber lassen sich ihre Kredite und Garantien (und damit ihr Risiko) durch gar nicht einmal so niedrige Zinsen von 5 bis 6 Prozent abgelten.

Was tun die hochverschuldeten Länder selbst? *

Iren und Griechen, aber auch Spanier und Portugiesen haben große Sparpakete geschnürt, Steuern angehoben, Sozialleistungen und Löhne gekürzt. Die Wettbewerbsfähigkeit soll sich zwar langfristig verbessern, kurz- und mittelfristig drückt all das aber aufs Wachstum - die Sanierung wird noch viele Jahre dauern. Die Griechen geben sich überdies Mühe, den Steuerbetrug abzustellen.

Warum reichen die Hilfskredite und Rettungsschirme als Lösung nicht aus? *

Die Investoren sind nervös und ungeduldig. Sie befürchten, dass die Länder sich nicht mehr aus den Schulden befreien können und Staatspleiten unvermeidlich sind. Die Finanzhilfen haben der Eurozone zwar Zeit verschafft, sind aber keine Dauerlösung: Sie stellen nur eine Überbrückungsfinanzierung für einige Jahre dar. Irgendwann müssen Athen und Dublin aber das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen - derzeit ist nicht absehbar, wie. Das sollen nicht zuletzt die EU-Gipfel klären.

Was planen die Politiker als nächste Schritte? *

Die Euro-Verantwortlichen diskutieren viele Maßnahmen zeitgleich: Zur Linderung der akuten Nöte sollen die Zinsen der Kredite für Irland und Griechenland gesenkt und die Laufzeiten verlängert werden. Eine Aufstockung des Rettungsschirms ist ebenso Thema wie die Bedingungen, unter denen taumelnde Länder ab Mitte 2013 mit Hilfe rechnen können. Dazu gehört auch die Abwägung, ob und wie Investoren in Staatsanleihen (vor allem Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften) dann zu einem Verzicht auf Teile ihrer Forderungen gezwungen werden könnten.

Was passiert bei einer Staatspleite mit den Banken? *

Die große Sorge bei einer Staatspleite (wenn ein Staat einen Schuldennachlass oder längere Zahlungsziele verhandelt) ist, dass schwache Geld-Institute das nicht überleben würden - und die Staaten sich keine Bankenrettung mehr leisten könnten. Manche befürchten auch neuerliche Panik und eine Vertrauenskrise wie nach der Lehman-Pleite.

Kann sich die Schuldenkrise wiederholen? *

Die Eurozone will das verhindern. Deutschland als größter Geldgeber drängt besonders auf strengere Regeln. So sollen die Budgets der EU-Länder frühzeitig kontrolliert und strenger überwacht werden. Eine besser koordinierte Wirtschaftspolitik soll verhindern, dass die Stärksten und Schwächsten noch einmal so stark auseinanderdriften: Dazu ist der "Pakt für den Euro" gedacht.

Welche Möglichkeiten gäbe es darüber hinaus noch? *

Schlagartig gelöst wären die Finanzierungsnöte von Athen und Co. fürs Erste, wenn die Eurozone gemeinsam Kredite aufnimmt und dafür haftet ("Eurobonds"). Politisch ist das höchst umstritten: Solide Staaten befürchten, dass sie draufzahlen und andere Länder ihre Staatsfinanzen noch sorgloser handhaben würden.