)
Irrationale Panik treibt die Eurokrise voran. | Eurosystem hat noch Plan B in der Schublade. | Finanzierungsbedarf der Euro-Problemstaaten bis 2013 beträgt fast 2000 Milliarden Euro. | Athen/Wien. Euro runter, Aktien schwächer, Staatsanleihen noch mehr unter Druck: Die Momentaufnahme sieht nicht besonders rosig aus. Die Märkte lassen nicht vermuten, dass die EU mit dem Währungsfonds (IWF) eben das größte Hilfspaket ihrer Geschichte geschnürt haben. "Das hat null Entspannung gebracht, außer für einen halben Tag", resümiert RZB-Analyst Valentin Hofstätter. Derzeit regiert Panik und es ist schwer absehbar, was den Stimmungsumschwung herbeiführen könnte: Wenn alle Parlamente das Paket abgesegnet haben? Die Proteste in Athen abebben? Wenn das erste Geld geflossen ist?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Ansteckungsgefahr bleibt hoch: Werfen nervöse Anleger auch massiv Schuldpapiere von Portugal, Spanien und Italien auf den Markt, könnte über kurz oder lang auch eines dieser Länder vom Kapitalmarkt ausgeschlossen werden. Was dann? Könnte die Eurozone weitere Hilfspakete finanzieren und argumentieren?
Österreich war Griechenland
Eines darf nicht übersehen werden. Die Märkte reagieren extrem kurzsichtig und nicht immer rational: Bei einem Bullenmarkt, also stark steigenden Kursen, bestärken alle positiven Nachrichten die Investoren in ihrer Wahrnehmung, alles Negative wird ausgeblendet. Bei einem Bärenmarkt oder in Krisen ist es umgekehrt, es kommt zu einer negativen Eskalation. Genau das ist derzeit der Fall: Gerüchte, dass Spanien ein Hilfsgesuch vorbereite, trugen massiv zum Absturz bei. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bedachte diese mit scharfen Worten: "Ich sehe völlig irrationale Ereignisse auf den Märkten, die auf unbegründeten Gerüchten gegen Spanien und Portugal beruhen."
Österreich hat Ähnliches vor einem Jahr zu spüren bekommen, als die Sorgen vor einem Osteuropa-Crash hochkochten und der US-Nobelpreisträger Paul Krugman über eine mögliche Staatspleite phantasierte: Einen Monat lang war Österreich so bewertet wie Griechenland - die Risikoprämien für Kreditversicherungen lagen gleich hoch (siehe Grafik).
Die Fundamentaldaten waren damals kaum anders als heute - abgesehen von jenem Rechenfehler, den der IWF einräumen musste und der das Ost-Risiko massiv überbewertet hatte.
IMTitle Name="zw10"Eine noch viel stärkere Spirale des Misstrauens erlebt derzeit die Eurozone./IMTitleIMTitle Name="zw10"Die Situation von Portugal, Spanien und Italien ist völlig anders als jene von Griechenland, dennoch werden alle in einen Topf geworfen: Experten sprechen von "Sentiments", von Stimmungen, die Entwicklungen antreiben. Ob es "böse Spekulanten" sind, die gezielt auf Staatspleiten wetten, oder ob risikoaffine Anleger die Nerven verlieren und einen Abverkauf starten, dafür gibt es keine objektiven Maßstäbe. Es macht auch nur politisch einen Unterschied. Beobachter halten den Markt für "eher angstgetrieben, Spekulanten springen auf den Zug auf."
Kommunikation katastrophal
Einen wesentlichen Beitrag zur Verstärkung der Abwärtsspirale leistet freilich auch die stark verbesserungswürdige Kommunikation der Politik. Es ist völlig unsinnig, wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor dem Bundestag die Milliardenhilfe für Griechenland verteidigt und zeitgleich ein Insolvenzrecht für Staaten fordert - und damit das Signal gibt, dieses könnte nötig sein.
Auch Österreichs Regierung nehmen Experten nicht von der Kritik aus. Der erste von Finanzminister Josef Pröll einberufene Bankengipfel, noch vor dem Eurogruppen-Treffen, sei international als Krisensitzung missverstanden worden. Und: Die Aussage von Kanzler Werner Faymann, es könnte noch mehr "Löschwasser" vonnöten sein, hat ebenfalls nicht zur Beruhigung beigetragen.
Währungshüter haben Pläne
Noch ist freilich nicht alles Pulver verschossen: Die Europäische Zentralbank könnte die für Griechenland getroffene Regelung, dass Banken auch Staatsanleihen mit schlechter Bonität als Sicherheit hinterlegen dürfen, auf andere Länder ausweiten.
Überdies könnte sich die EU-Kommission - wesentlich günstiger als alle Einzelstaaten - Geld auf dem Markt besorgen und dieses an die einzelnen Länder weiterreichen. Dass dies nicht mit den Verträgen kollidieren würde, hat Nationalbank-Experte Franz Nauschnigg bereits im April 2009 argumentiert. Und für die Osteuropa-Hilfe wurde diese Möglichkeit bereits ergriffen. Damit wäre auf einen Schlag jede Spekulation gegen Griechenland, Spanien und Co. unmöglich. Dem Vernehmen nach scheitert es bis dato einzig am Veto von Kanzlerin Angela Merkel.
Die dritte Möglichkeit wäre, dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt kauft - damit hätten mögliche Spekulanten die mächtige Euro-Zentrale in Frankfurt als Gegenspieler. Vor allem deutsche Hardliner und US-Analysten warnen die EZB vor diesem Tabubruch - der allerdings von der Bank of England, der US-Notenbank Fed und sogar von der Schweizer SNB ganz selbstverständlich praktiziert wird.
Auch Medien tragen mit ihren Worst-Case-Szenarien viel zur Panik bei. Für alle, die diesen Nervenkitzel schätzen: Der Finanzierungsbedarf der so genannten "Piigs", also der Euro-Problemstaaten, beläuft sich laut Berechnungen der US-Investmentbank Merrill Lynch bis 2013 auf 1932 Milliarden Euro...