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"Der Markt ist zwar nützlich, aber nicht heilig"

Von Petra Medek

Wirtschaft

Mensch und Wirtschaft - wer beherrscht wen? | Diskussionsveranstaltung über Wirtschaftsethik. | Wien. Beherrscht die Wirtschaft den Menschen - oder umgekehrt? Diese provokant formulierte Frage wurde bei einer Diskussionsveranstaltung erörtert, zu der Michael Spindelegger, Zweiter Präsident des Nationalrates, am Mittwoch Abend ins Hohe Haus geladen hatte.


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Für Norbert Griesmayr, Vorstandschef der VAV Versicherung, ist die Antwort klar: "Der Mensch beherrscht natürlich die Wirtschaft - alles andere würde ich auch gar nicht aushalten", so der langjährige Chef der Assekuranz. Er stellt dem Wirtschaftsleben summa summarum ein positives Zeugnis aus: "Die soziale Marktwirtschaft ist so stark wie überhaupt noch nie". Die wesentlichen Schlüssel, um ein Unternehmen zum Florieren zu bringen, hätten die Manager selbst in der Hand. "Die nobelste Aufgabe eines Managers ist es, den Mitarbeitern einen Sinn in ihrer Tätigkeit zu geben". Ohne Wertehintergrund wäre jedes Unternehmen ohnehin zum Scheitern verurteilt.

Gerhard Grund, Vorstandsmitglied der Raiffeisen Centrobank, kann Griesmayrs optimistischen Befund nicht teilen. Seiner Ansicht nach "beginnt dieser Markt auszuufern". Den Preis für den globalisierten Markt zahle "der flexible Mensch", sagt Grund und führt Statistiken an, wonach die Einkommen der Führungskräfte klettern, während Angestellte Einbußen hinnehmen müssten.

Karotten werden immer unerreichbarer

"In der ökonomischen Realität werden die Karotten immer höher gehängt; dafür werden sie immer größer". Dem zur Flexibilität gezwungenen Menschen müsse man Chancen geben, in "marktfreien Zonen" Bindungen aufzubauen, also in Gemeinden, Kirchen und der Familie, betonte Grund und brach gleichzeitig eine Lanze für die einkaufsfreien Sonntage. "Das ist die einzige Chance, die wir haben".

Die Abgrenzung eines marktfreien Raumes in unserer Gesellschaft könnte schwierig werden, gab daraufhin Gregor Henckel-Donnersmarck, Abt des Stiftes Heiligenkreuz und ehemaliger Manager, zu bedenken. Er plädiert vielmehr dafür, "im gesamten Bereich zu regulieren".

Vor dem Hintergrund der christlichen Soziallehre ist es für ihn augenscheinlich, dass der Markt zwar "nützlich, aber nicht heilig" sei, betonte der Abt. "Auch der Markt ist eine menschliche Erfindung und ein Vorgang, den Menschen gestalten müssen. Und der Markt ist nicht Gott". Für ihn muss die Humanisierung der Wirtschaft oberste Maxime sein.

In ein ähnliches Horn, wenn auch aus anderem Blickwinkel, stößt Wolfgang Anzengruber, Vorstandschef des börsenotierten Kranherstellers Palfinger. Er plädiert dafür, die Dimension des Menschen stärker in den Bereich der Unternehmensführung zu inkludieren. Dass Mitarbeiter in der Finanzwirtschaft zu wenig Beachtung finden, zeigt sich für ihn nicht zuletzt im Jahresabschluss: "In der Gewinn- und Verlustrechnung sind Mitarbeiter eine Aufwandsposition". Keine Kennzahl zeige, wie gut ausgebildet oder motiviert das Personal eines Betriebes ist. Statt ständig das Wachstum von Mengen zu messen, sei es an der Zeit, sich dem Qualitätswachstum zu widmen.