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Der Märtyrerbischof ist in San Salvador unvergessen

Von Christian Gmasz

Politik

Wien · Am 24. März 1980 wurde Oscar Arnulfo Romero, der Erzbischof von San Salvador, während eines Gottesdienstes in einer Kapelle ermordet. Vor allem die arme Bevölkerung von El Salvador, | für die Romero sich besonders engagierte, hat ihren Erzbischof aber längst nicht vergessen, erzählte der Jesuit und Lateinamerika-Experte Pater Martin Maier anlässlich eines Wien-Aufenthalts.


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Die Erinnerung an den 1977 zum Erzbischof von San Salvador ernannten Romero, der mit seiner Botschaft von Frieden und sozialer Gerechtigkeit die regierende Oberschicht der Großgrundbesitzer

herausforderte, sei in El Salvador noch stark präsent, vor allem unter den Armen, erzählt Maier. "Er hat einmal gesagt: Wenn sie mich umbringen, dann werde ich im Volk von El Salvador wieder

auferstehen. Das ist eine erlebbare Tatsache, wenn man in das Land kommt."

Überall in den Kirchen sind Fotos und Posters des Ermordeten zu finden. Seine Seligsprechung · als Voraussetzung für eine spätere Kanonisierung · wird von vielen Theologen und großen Teilen der

Bevölkerung verlangt. Sie scheint aber fast genauso fern wie die Verurteilung von Romeros Mördern, die in den Reihen der berüchtigten Todesschwadronen vermutet werden.

Doch nicht nur die Erinnerung wird gepflegt: "Es gibt auch Kreise, die das Andenken an Romero am liebsten auslöschen würden", so der Jesuit. Zu ihnen gehörten auch maßgebliche Teile der herrschenden

Oligarchie und der Armee, die hinter dem Mord am Erzbischof standen.

Die Versuche, Romero tot zu schweigen, reichen bis in die Gegenwart: Einen bereits im Jahr 1989 in den USA produzierten Film über sein Schicksal durfte der Fernsehsender "Kanal 33" erst am 19. März

erstmals in El Salvador zeigen. Die Begründung des Innenministeriums für die Untersagung der Ausstrahlung lautete, dass der Film den sozialen Frieden des Landes stören würde.

Der Bürgerkrieg ist zwar längst zu Ende, und formell existiert auch ein Friedensvertrag: "Wenn alle Punkte umgesetzt worden wären, hätte es tatsächlich positive Veränderungen für das Land gebracht",

meint der Geistliche. So aber wurden nur Teile des 1992 unterzeichneten Abkommens · wie die Reduzierung der Armee (im Friedensabkommen vorgesehene Stärke: 30.000 Mann) · verwirklicht.

Auch die Guerilleros legten die Waffen nieder und nahmen am politischen Leben Teil: Bei den Parlamentswahlen am 12. März wurde die Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) mit 31 von 84

Mandaten stärkste Partei. "Es gibt politische Freiräume und mehr Demokratie als früher, aber es fehlt noch sehr viel, um von einer echten Demokratie sprechen zu können", erläutert der Pater.

Als Ergebnis des Friedensprozesses entstand auch eine zivile Polizei, die aber zum Teil von Mitgliedern der alten, kriminellen Polizei und der nationalen Armee unterwandert wurde.

Nach wie vor ist El Salvador eines der Länder mit der höchsten Gewaltrate: 130 von 100.000 Einwohnern werden umgebracht. In Kolumbien etwa finden 80 von 100.000 Menschen einen gewaltsamen Tod,

berichtet Maier, und er zitiert den Weihbischof von San Salvador, Gregorio Rosa Chavez: "Wir haben zwar einen Friedensvertrag unterschrieben, aber im Alltag erleben wir davon nichts." Nach wie vor

gebe es Todeskommandos, die aus politischen oder anderen Motiven Menschen umbringen.

Das Justizwesen funktioniert · nicht zuletzt wegen der Korruption · nach Ansicht des Paters nur sehr bedingt.

Die Spannungen in der Bevölkerung treffen auch die Kirche, erzählt Maier. Im Klerus gebe es Teile, die sehr engagiert an der "Option für die Armen" weiterarbeiteten und sich für soziale

Gerechtigkeit und Landverteilung einsetzten. Eine andere Gruppe will an den bestehenden Verhältnissen nichts ändern. Es gibt auch jetzt noch Bischöfe, die das, was Romero gemacht hat, kritisch

sehen", erklärt der Jesuit.

Papst Johannes Paul II. traf Romero zwei Mal. Die erste Begegnung im Mai 1979 in Rom sei "nicht sehr glücklich verlaufen", berichtet der Geistliche. "Man hatte den Papst offenbar falsch informiert

über die Verhältnisse in El Salvador." Damals trug er Romero auf, sich um ein "besseres Verhältnis" zur Regierung zu bemühen.

Als die beiden im Jänner 1980 zusammentrafen, verlief die Begegnung deutlich freundlicher.

Nach der Ermordung Romeros betete Johannes Paul II. bei seinen zwei Besuchen in El Salvador an seinem Grab: "Das war beide Male nicht vorgesehen. Der Papst hat darauf bestanden. Dadurch kommt zum

Ausdruck, dass er in Romero einen vorbildlichen Bischof sieht", deutet Maier die Geste des Papstes.