Der Betrug mit der Mehrwertsteuer boomt, mehr als 100 Milliarden Euro jährlich kostet er die EU-Finanzminister. Das entspricht in etwa dem EU-Gesamtbudget. Und so wird es wohl noch eine Zeit lang bleiben. Dabei hätte das von Österreich propagierte Steuersystem mit dem unattraktiven Namen Reverse-Charge es den Betrügern schwerer machen können.
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Denn das Prinzip ist einfach: Nach den gängigen Regeln müssen einander auch Unternehmen Rechnungen inklusive Mehrwertsteuer stellen. Da bei Exporten ins EU-Ausland keine Mehrwertsteuer verrechnet wird, erhält der Exporteur diese vom Finanzamt rückerstattet. Der Betrüger exportiert nun entweder Waren, die es gar nicht gibt, oder führt diese mehrmals wieder illegal ein, um sie erneut zu exportieren und sich wiederum die Mehrwertsteuer dafür von der Finanz auszahlen zu lassen. Dieses gesetzeswidrige Geschäftsmodell hört auf den Namen Karussellbetrug. Dabei arbeitet der Betrüger mit einer (Schein-)Partnerfirma im Ausland zusammen, die - meist über mehrere Zwischenhändler - dafür sorgt, dass der Exporteur die selben Waren erneut inklusive Mehrwertsteuer von einem inländischen Unternehmen verkauft bekommt. Die Ware selbst - so es sie gibt - verlässt dabei oft das Lager des Betrügers gar nicht.
Reverse-Charge hat nun zum Ziel, den Kreis der potentiellen Mehrwertsteuerbetrüger zu verringern. Denn für Lieferungen ab 5000 Euro soll nur noch jener Unternehmer, der an den Verbraucher verkauft, die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Der betrügerische Export brächte nichts mehr, da die Eingangsrechnung der zur Ausfuhr anstehenden Waren bereits keine Mehrwertsteuer mehr enthielte und daher auch nichts vom Finanzamt zurückgefordert werden könnte. Der dadurch verhinderte Steuerbetrug könnte allein in Österreich 500 Millionen Euro mehr in die Staatskasse spülen, schätzen Experten.
In der heimischen Bauwirtschaft gibt es das System bereits. Schon im Jahr der Einführung soll es dem Budget ein Plus von 200 Millionen gebracht haben. Doch selbst ein auf Österreich beschränktes Reverse-Charge-Pilotprojekt hat mächtige Feinde, beschlossen werden müsste es einstimmig. Frankreich und Italien haben aber offenbar unter der Hand bereits klar gemacht, ihre Steuersysteme niemals so radikal umstellen zu wollen. So können die Karussellbetrüger weiter ruhig schlafen.
Ihr illegales Geschäft wird wohl weiterhin nur mit konventionellen Methoden bekämpft, wie es in Brüssel formuliert wird. So sollen etwa die Finanzbehörden der Mitgliedsstaaten enger zusammenarbeiten sowie systematischer und rascher Informationen austauschen.
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