Österreich startet die erste Teststrecke für selbstfahrende Autos und will diese sobald wie möglich in den Verkehr bringen.
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"Es denkt? Ein Auto denkt?", fragt Michael Knight ganz perplex, als er den Schlüssel zum fahrenden Ritter bekommt. "Wir bezeichnen es gerne als ‚unser‘ Auto", antwortet sein Boss Devon Miles: "Ein Zusammenstoß ist ausgeschlossen - wenn Sie das System einschalten. Sein Zweck ist ausschließlich, menschliches Leben zu schützen - Ihr Leben."
Der mit künstlicher Intelligenz versehene Pontiac Firebird namens Kitt ist der heimliche Hauptdarsteller der US-Fernsehserie "Knight Rider". Er kann mit allen flüssigen Treibstoffen betrieben werden, erreicht 480 Stundenkilometer, brilliert mit geistreicher Konversation, lässt sich per Funk anrufen und kann Telefonate abhören, mitschneiden und zurückverfolgen. Und vor allem kann Kitt - wenn Michael will - sich selbst steuern, fahren oder bremsen und andere überholen. Oft ist er dabei geschickter als sein Besitzer.
Mit dem Auto lieferten die Macher der ansonsten recht seichten Serie bereits im Jahr 1982 visionären Stoff: Kitt nahm die Zukunft vorweg. Bei der weltgrößten Technologiemesse CES in Las Vegas vergangenen Jänner präsentierten Autohersteller wie BMW, Mercedes, Volkswagen, Tesla und Faraday Future Supercomputer auf Rädern. Es gibt Bordrechner mit Kapazitäten von bis zu 150 Laptops komplett mit Kameras, Radar und Sensoren. Um die Marktführerschaft für die Software rittern Technologiekonzerne wie Apple und Google gegen Weltraumagenturen wie die Nasa: Das neue Auto ist keine bloße Karosserie mit Lenkrad, Keilriemen und Zylindern, sondern ein komplexes Bauwerk aus Bits und Bytes, das seine Besitzer durch die Gegend kutschiert, dabei unzählige Daten sammelt und austauscht, laufend dazulernt und nebenbei seine Insassen unterhält.
Zu der Frage, wann solche Wägen unterwegs sein werden, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. "Schon in fünf Jahren wird die Autoindustrie autonome Fahrzeuge in Serie erzeugen können", zeigt sich Heinrich Daembkes von Airbus Electronics and Border Security überzeugt. Seine Einheit in dem Konzern für Sicherheit und Verteidigung arbeitet an Radaren, die auch die Zuverlässigkeit autonom gesteuerter Verkehrsmittel erhöhen sollen. "Schon heute befinden sich mehr hochautomatisierte Systeme in Autos, als vielen bewusst ist - von Überholassistenten über Parkhilfen bis zu Sprachsteuerungssystemen", betont er.
Das Auto mitallen Sinnen
Dass es in vielen Gegenden und besonders auf dem Land zu wenig Internet-Bandbreiten gibt, um die Systeme am Laufen zu halten, stört Daembkes nicht. "Natürlich müssen wir die Breitband-Kommunikation verbessern. Aber schon heutige Mittelklasse-Fahrzeuge haben 20 bis 100 Sensoren an Bord. Unmengen an Daten fallen an und man kann nicht einmal einen Bruchteil über die Breitband-Netze übertragen. Daher brauchen wir Bordcomputer, die die Umwelt analysieren, wie und wohin sie richtig fahren sollen für das beste Netz."
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat eine etwas andere Vision. Forscher um Karsten Lemmer erwarten einen Mischverkehr von Mensch und Maschine: "Leisen, umweltschonenden und automatisieren Fahrzeugen gehört die Zukunft. Doch selbst 2030 werden noch viele Menschen am Steuer sitzen. An Kreuzungen treffen sie auf selbstfahrende Autos", schreiben sie in einem Bericht der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften.
Selbstfahrende Autos müssen im Besitz ihrer Sinne sein. Sie müssen die Umwelt sehen, Störungen hören, Abgase riechen und Hindernisse fühlen können. Zu diesem Behufe hat das Google-Car eine Art Superauge auf dem Dach. Der Aufsatz dreht sich im Kreis und scannt mit einem Laserstrahl die Umgebung, damit es kein Kind, das plötzlich über die Straße läuft, übersehen kann. Der Wagen muss präzise dreidimensional bestimmen können, wo er ist, und muss ausweichen oder bremsen, egal bei welchem Wetter und ob Tag oder Nacht. Daimler und Continental haben dazu eine hochsensible Stereokamera entwickelt, die Autofahrern in brenzligen Situationen helfen soll. Als nächster Schritt gilt die Kommunikation von Auto zu Auto, etwa wenn ein Fahrzeug bei einer Notbremsung weiter hinten befindliche warnt, damit diese langsamer werden. "Die Autos werden sich miteinander unterhalten", erklärt Helmut Leopold vom Austrian Institute of Technology in Wien.
Wozu aber der Aufwand, wenn der Mensch seit Jahrzehnten durch Autobahnbaustellen navigiert, bei Schnee und Glatteis den Berg hinauffährt und durch Nebel und Starkregen nach Hause kommt? Warum soll er das Steuer abgeben, anstatt einfach zu lernen, noch besser zu fahren?
Hinter der computergesteuerten Automatisierung stehen komplexe Software-Architekturen, genannt cyber-physikalische Systeme. Sie sollen die Aktivitäten der Rädchen in der digitalen Welt aufeinander abstimmen. Dahinter stehen Großkonzerne wie General Electric, Bosch, Siemens und eben Airbus. Denn die Industrie sichert ihr Überleben. Wer Innovation Leader sein will, muss neue Produkte auf den Markt bringen. Tut er das nicht, steht er im Preiskampf mit Ländern, die dank günstiger Arbeitskräfte auch mit herkömmlichen Autos noch Geld verdienen können.
Für eine Verkaufsstory, die Konsumenten betrifft, bietet sich die Lage im Straßenverkehr geradezu an: Der Verkehr kollabiert, die Kosten für Staus gehen in die Milliarden. Vor allem im städtischen Raum stören Luftverschmutzung und Lärmbelästigung die Lebensqualität und insgesamt belastet das alles das Klima. Was gibt es besseres als Autos, die jedem Stau aus dem Weg fahren mit Elektroantrieben, die die Luft nicht verschmutzen?
In dieses Horn blasen die Verkehrsministerien jener Länder, die die Umstellung auf den smarten Verkehr mit öffentlichen Geldern fördern und damit auch innovative Konzerne im Land halten, die neue Arbeitsplätze schaffen. "Wir sind eingestiegen, der Fahrer hat einen Knopf gedrückt und schon ging es los", beschrieb Verkehrsminister Gerald Klug seine erste Testfahrt mit einem selbstfahrenden Auto Mitte April in Amsterdam. Auf Österreichs Straßen werden noch heuer selbstfahrende Autos getestet. Im Mai soll ein Aktionsplan präsentiert, im Sommer das Kraftfahrgesetz novelliert werden. Derzeit gilt nämlich die Wiener Straßenverkehrskonvention von 1968, wonach ein Fahrer am Steuer die Verantwortung für sein Gefährt tragen muss. Erst eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen könnte selbstfahrenden Autos den Weg frei machen.
Verlust von Kontrolle -und von Freiheit
Dann wäre niemand mehr hinter dem Lenkrad gefangen, der den Weg zur Arbeit im Privatraum des eigenen Autos zurücklegen will oder muss. Er oder sie könnte während des Fahrens den Tag planen, Emails erledigen, im Internet surfen, frühstücken oder weiterschlafen. Für Senioren wäre die Debatte, ob sie ab einem gewissen Alter oder bei gewissen gesundheitlichen Einschränkungen den Führerschein wiederholen sollten, erledigt: Sie ließen sich einfach vom Auto chauffieren.
Der Verkehr wäre wohl nach dem Reißverschluss-Prinzip geregelt. Denn wenn sich das autonome Fahrzeug großer Beliebtheit erfreut, wird es mehr davon geben. Damit alle Platz haben, müssten sie kleiner sein als ein Smart und alle in derselben Geschwindigkeit fahren. Wer sich zum Abbiegen einordnet, müsste warten, bis er dran ist: Ein Auto von links, eines von rechts, gemächlich im Tempo einer Kutschenfahrt. Der Öffis wären leer, weil Jeder in seiner Nussschale sitzt, während diese an Google meldet, wer drin sitzt.
"Danke nein, ich treffe meine Entscheidungen gerne selber", ist Michael Knights erste Reaktion auf den selbstfahrenden Kitt. Die wenigsten Menschen geben gerne Kontrolle und Freiheit ab. Und dennoch werden die allermeisten das selbstfahrende Auto zumindest probefahren.