Neue Australopithecus-Art hat viele Merkmale der Gattung Homo. | Geschicklichkeit moderner Handwerker. | Johannesburg. Früh übt sich, wer ein Meister werden will: Wenn an dem Spruch etwas dran ist, müsste der neunjährige Matthew Berger zum Giganten der Frühmenschenforschung heranwachsen. Hat er doch in einer Höhle namens Maripa im Norden Südafrikas eine völlig neue Frühmenschen-Art gefunden - den Australopithecus sediba.
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Der Bub tritt in die Fußstapfen seines Vaters: Der US-Paläoanthropologe Lee Berger forscht an der University of the Witwatersrand in Johannesburg über die Evolution der Menschheit. Vater, Sohn und Berger Seniors Kollegen entdeckten in der Höhle zwei erstaunlich gut erhaltene Skelette dieser Art - einen Buben und eine Frau. Die Funde gehören zu keiner bisher bekannten Art der Früh- und Vormenschen und seien vollständiger als jene des bekannten, eine Million Jahre älteren Vormenschen Lucy.
Hilfe von Google Earth
Analysen des Fundes in der heutigen Ausgabe des Fachblatts "Science" zufolge gehört Australopithecus sediba zwar zu der Australopithecus genannten Gattung, die auch als "südlicher Affe" bekannt ist. Jedoch zeigte A. sediba bereits vor knapp zwei Millionen Jahren zentrale Merkmale, die für die Gattung Homo typisch sind. "Die Art könnte als Kandidat für den Übergang vom Australopithecus africanus zu einer frühen Homo-Art gelten", sagt Lee Berger.
Entdeckt haben Vater und Sohn das mögliche Zwischenglied zum modernen Menschen mit Hilfe von Google Earth. Sie zeichneten damit Höhlen und Gesteinsschichten mit Fossilien von Frühmenschen in der Umgebung von Johannesburg auf eine Karte. So sahen sie (neben rund 130 bekannten Höhlen) fast 500 Höhlen und Fossilienfundstätten, die Berger bis Juli 2008 in mühevoller Geländearbeit gefunden hatte, im Satellitenbild. Ende Juli 2008 sah er dann mit dem Satellitenblick von Google Earth eine Gruppe von Bäumen, die genau in dem Muster wuchsen, das für Ablagerungen in Höhlen mit Fossilien typisch ist.
Am 15. August 2008 entdeckte dort schließlich der neunjährige Matthew ein Schlüsselbein. Vater Lee hatte genau über diesen Knochen in der Schulter promoviert und war wie elektrisiert, weil er von einem Frühmenschen stammen musste. Ein kurz danach gefundener Kieferknochen und ein Eckzahn bewiesen, dass die Forscher die Überreste eines jugendlichen Frühmenschen entdeckt hatten, der im Alter von neun bis 13 Jahren gestorben war.
Solche Funde sind extrem selten. Friedemann Schrenk vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main schätzt, dass auf Tausend Jahre Frühmenschengeschichte ein einziger fossiler Knochen kommt.
Bisher haben die Forscher allein aus dieser Höhle 130 Überreste der beiden Frühmenschen-Individuen geborgen, die 127 Zentimeter groß waren. Die Zähne der Frau waren abgekaut, sie soll demnach knapp dreißig Jahre alt gewesen sein. Beide müssen ungefähr zur gleichen Zeit und am gleichen Ort gestorben sein, waren eventuell sogar Mutter und Sohn. Ihre Überreste wurden dann mit einer Geröll-Lawine auf den Grund eines Höhlensees getragen. Dort konnten keine Raubtiere die Skelette auseinander reißen, daher fanden die Forscher die wohl vollständigsten Frühmenschenfossilien, die bisher beschrieben sind.
Noch ältere Funde
Vor 1,95 bis 1,78 Millionen Jahren lebte dort demnach eine Art, deren lange Arme noch stark an jene von Schimpansen erinnerten, die aber auf zwei langen Beinen vermutlich ähnlich wie ein Mensch rennen konnte. Die kräftigen Hände weisen auf die Geschicklichkeit moderner Handwerker hin. Vorfahre könnte Australopithecus africanus sein. Als Nachkomme stehen Homo habilis oder Homo erectus zur Debatte, der als einer der direkten Vorfahren des modernen Menschen gilt.
Die Gattung Homo ist zwar um einiges älter als der neue Fund. Friedemann Schrenk hatte in Malawi mit den auf 2,5 Millionen Jahre datierten Homo rudolfensis-Fossilien ja die bisher ältesten Reste der Gattung Homo beschrieben. "Es ist aber durchaus möglich, dass Australopithecus sediba noch früher entstanden ist", meint Lee Berger. Auch Homo rudolfensis rannte noch vor 1,8 Millionen Jahren durch die Savannen Afrikas und war damit mindestens 700.000 Jahre lang präsent. Und vielleicht findet Lee Bergers Sohn Matthew ja eines Tages auch Fossilien von Australopithecus sediba, die älter als der heute älteste Homo-Fund sind.
Wissen
Der Homo sapiens (verständiger Mensch) ist heute die einzige lebende Art der Familie der Hominiden (Menschenartigen).
* 7 bis 6 Millionen Jahre - Sahelanthropus tchadensis ist das älteste bekannte Mitglied der Menschenfamilie und könnte aus der Zeit der Trennung der Affen- und Menschenartigen stammen.
* 6 Millionen Jahre - Orrorin tugenensis zeigt Hinweise auf den aufrechten Gang, jedoch ist umstritten, ob er ein direkter Vorfahr des Menschen war.
* 4,4 Millionen Jahre - Ardipithecus ramidus zählt zu den Hominiden und ist weiter von den Affen entfernt als bisher vermutet.
* 3,2 Millionen Jahe - Australopithecus afarensis: Das Teil skelett "Lucy" gilt als letzter gemeinsamer Vorfahr mehrerer Linien von Hominiden.
* 2,5-2,3 Millionen Jahre - Homo rudolfensis hat ein größeres Gehirn als die affenartigen Vormenschen (Australopithecinen) und könnte ein direkter Vorgänger des Homo sapiens sein.
* 1,8-2 Millionen Jahre - Australopithecus sediba könnten eine Übergangsform zwischen den Australopithecinen und den Frühmenschen darstellen.
* 1,8 Millionen-300.000 Jahre - mit dem Homo erectus begann eine Wanderbewegung aus Afrika nach Europa und Asien.
* 500.000/780.000 Jahre - Homo heidelbergensis zählt zu den frühesten Menschen, starb wahrscheinlich aber aus.
* 160.000 Jahre - Homo sapiens: Die bisher ältesten Überreste des modernen Menschen wurden 1997 in Äthiopien gefunden. Die Funde erhärten die These, dass die modernen Menschen in Afrika entstanden sind und sich von dort aus über die Welt ausgebreitet haben.