Wer kennt das nicht: Man hat rote, runde, wunderschöne Paradeiser gekauft, und zu Hause stellt man fest, es handelt sich um wässrige, geschmacklose Früchte. Und auch wenn einem dabei die bekannte "Anti-Matsch-Tomate" aus dem Gen-Labor in den Sinn kommen mag - man ist wohl doch nur auf ein Produkt ganz "normaler" Pflanzenzucht reingefallen.
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So argumentieren auch die Befürworter von genmanipulierten Organismen (GMO), es handle sich bei diesen nur um die Fortführung herkömmlicher landwirtschaftlicher Methoden. Eines freilich wird dabei außer Acht gelassen: Der Bauer, der seit Urzeiten versucht, den Bedürfnissen von Ertrag und Umwelteinflüssen angepasstere Pflanzen zu erzeugen, tut dies, indem er verschiedene Arten einer Gattung kreuzt. Die modernen Forscher, die mit dem Erbgut experimentieren, verwenden die DNS völlig verschiedener Lebewesen - bis hin zu dem Versuch, menschliche Gene in Karotten einzubauen.
Auch wenn die Forschung an genmanipulierten Tieren weitergeht, die Diskussion in Europa dreht sich vorwiegend um die Flora (siehe Kasten). Die Kritiker befürchten vor allem Auswirkungen auf die Umwelt.
Auch die Befürworter argumentieren "ökologisch": Der Großkonzern Monsanto bietet GMO-Saatgut zusammen mit einem Totalherbizid, das alle Pflanzen außer dem Gentech-Soja vernichtet, im "Kombi-Pack" an - dadurch sei insgesamt geringerer Chemieeinsatz nötig. Kritische Studien belegen aber, dass mehr Pflanzenvernichter ausgebracht werden, eben weil das Produkt so widerstandsfähig ist. Die "unsachgemäße" Anwendung ist nicht das einzige Risiko: Nicht nur, dass mit dem Verschwinden der "Unkräuter" auch Tierarten bedroht sind, die sich von diesen ernähren (für den Fall des Mocharchfalters ist dies nachgewiesen), besteht auch die Gefahr, dass sich "Superunkräuter" entwickeln, die wiederum gegen Herbizide resistent sind. Ähnliche Sorgen betreffen auch die insekten- und krankheitenresistenten Pflanzen: Auch "Nicht-Ziel-Organismen" und Nützlinge werden geschädigt, unerwünschte Resistenzen können sich herausbilden.
Dennoch sieht der jüngste UNO-"Bericht über die menschliche Entwicklung" in der Gentechnik große Chancen für die Dritte Welt und nennt Argentinien und Ägypten als Positiv-Beispiele für Länder, die selbst in der Forschung auf diesem Gebiet tätig sind. Diese haben allerdings bei den - auch von der UNO geforderten - Standards für die Freisetzung ausgerechnet die aus dem bekannt gentechnik-freundlichen Nordamerika übernommen. Befürwortet wird damit ein Konzept, das in den entwickelten Ländern schon verwirklicht ist: Der Bauer ist nur mehr Quasi-Angestellter der agrarischen Großindustrie. Der Kampf gegen Gentechnik ist somit auch Kritik an bereits herrschenden Zuständen - Greenpeace fordert auch in diesem Zusammenhang die Forcierung der biologischen Landwirtschaft.
Der generell technologiegläubige UN-Report geht auf Einwände, dass es bei der Problematik der Unterernährung nicht so sehr um Fragen der Produktion als um die der gerechten Verteilung gehe, denn auch gar nicht ein. Auch die entstehende Abhängigkeit von internationalen Konzernen oder die ökonomischen Folgen für Kleinbauern sind kein Thema.
Selbst der UNO-Bericht macht aber darauf aufmerksam, dass in allen kritischen Bereichen noch weitere Forschungen nötig sind. Weitgehend ungeklärt ist zum Beispiel, welche Risiken Gen-Food auf die Gesundheit des Menschen hat. Insbesondere die verstärkte Ausbreitung von Allergien wird befürchtet, aber auch Toxizität und Antibiotika-Resistenz wird nicht ausgeschlossen.
Die Unklarheiten rühren daher, dass bisher in der Forschung nur die Risiken der Einzelkomponenten untersucht, nicht aber die ihrer Kombination wurden. Dabei ist nur eines sicher: Die Gen-Experimente erzeugen unvorhersehbare Ergebnisse. Dass die Industrie trotz "Restrisikos" auf ihre Verwertung verzichtet, darauf möchte man sich denn doch nicht verlassen. Und auch nicht auf die Zuverlässigkeit der Kontrollinstanzen. Die haben nicht nur bei Atomkraftwerken, sondern auch schon auf dem Lebensmittelsektor kläglich versagt.