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Der Militäreinsatz in Mali öffnet die Büchse der Pandora

Von Adrian Lobe

Gastkommentare
Adrian Lobe ist freier Journalist.

Die Intervention im Sahel-Staat drängt die Terroristen nur vermeintlich zurück. In Wirklichkeit erweitern die Kombattanten ihren Aktionsradius.


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Die französische Armee ist in Mali in einen verworrenen Partisanenkampf gegen die islamistischen Milizen auf unübersichtlichem Terrain verwickelt. Es gibt gute Gründe für ein Eingreifen in dem westafrikanischen Land: Erstens gilt es zu verhindern, dass in Reichweite des Mittelmeerraumes ein islamisches Emirat entsteht. Zweitens muss Malis territoriale Integrität wiederhergestellt werden. Drittens gilt es französische Staatsbürger im Süden des Landes zu schützen. Präsident François Hollande gab die "Rückeroberung des Staatsgebiets" als Losung aus. Das mag sich als realistische Maxime ausnehmen.

Doch was passiert danach? Wie lange will Frankreich seine Truppen im Land stationieren? Die Taktik "reingehen, löschen, rausgehen" funktioniert in den Brandherden der Welt nicht mehr. Langfristig braucht die Regierung eine Exit-Strategie, sonst könnte sich die Operation als böser Fehler erweisen.

Die Fronten sind schon jetzt unübersichtlich. Da ist zum einen Al-Kaida im Maghreb, ein Ableger des internationalen Terrornetzwerks, deren Mitglieder schon im algerischen Bürgerkrieg kämpften. Dann gibt es die djihadistische Mujao, die in Gao operiert und ihr Geld mit Kokain verdient. Daneben existiert Ansar Dine, eine Gruppe salafistischer Kämpfer, die in Kidal ihre Hochburg hat und die Scharia einführen will. Und schließlich die Tuareg-Bewegung MNLA, die 2010 gegründet wurde und die Unabhängigkeit des Nordens fordert.

Die Heterogenität der Fraktionen - Fundamentalisten hier, Separatisten dort - macht deutlich, wie verworren die Situation ist. Für das französische Militär ist es extrem schwierig, Kombattanten zu identifizieren. Hinzu kommt, dass das malische Militär seit dem Staatsstreich in einem desolaten Zustand ist. Ohne französische Hilfe könnte es die Usurpatoren niemals niederringen.

Die Streitkräfte bombardieren Stellungen der Islamisten, wie zuletzt in Gao. Fernsehaufnahmen zeigten eine verwaiste Stadt - die Rebellen räumten das Feld, bevor die französischen Truppen überhaupt einrücken konnten. Richtige Kampfhandlungen fanden gar nicht statt. Das ist die Logik des asymmetrischen Krieges: Eine hochgerüstete Armee sieht sich mit einer versprengten Partisanengruppe konfrontiert. Im Kampf wären die Milizen hoffnungslos unterlegen. Sie sind aber mobiler und können die Feinde in Hinterhalte locken.

Die französische Armee wird die Islamisten einstweilen vertreiben können. Besiegt sind sie damit nicht. Sie werden sich ins Bergmassiv der Ifoghas zurückziehen und dort weiter ihr Unwesen treiben. Dem Sahel droht ein ähnliches Szenario wie im Hindukusch. Auch dort gelang es der internationalen Staatengemeinschaft nicht, den Terroristen den entscheidenden Schlag zu versetzen. Die Al-Kaida-Kämpfer setzten sich in den pakistanischen Stammesgebieten fest.

All das zeigt, dass sich der Terrorismus militärisch nicht besiegen lässt. Es bedarf einer langfristigen Strategie, vor allem der Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure, um den Gotteskriegern den Garaus zu machen. Der Djihadismus sollte politisch bekämpft werden.