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Präsidentschaftskandidat Donald Trump rüttelt an Dogmen der Republikaner.
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Washington. Es war nur ein einziger, vordergründig ganz unschuldig dahergesagter Satz; aber er reichte, um nahezu die gesamte Funktionärskaste der Republikanischen Partei Amerikas zu erschüttern: "Ich weiß nicht, wie man von sieben Dollar und 25 Cent leben kann." Objektiv besehen mag das eine korrekte Feststellung sein. Für die Repräsentanten der konservativen Hälfte des Landes stellt sie freilich nicht weniger als offene Ketzerei dar, die eines der konstituierenden Parteidogmen in Frage stellt. Die meisten Republikaner halten einen Mindestlohn an sich schon für Verrat an der amerikanischen Sache. Aber auch noch über seine Anhebung zu diskutieren? Und es ist der eigene Präsidentschaftskandidat, der das fordert? Immerhin: Eine Hintertür ließ sich Donald Trump offen. "Ich mag die Idee, die Festsetzung des Mindestlohns den einzelnen Bundesstaaten zu überlassen." Genug war das nicht, um die Wogen zu glätten.
Nachdem auf Seite der Demokraten darob Konsens herrscht, dass die derzeitige Höhe des bundesweit garantierten Mindestlohns zu wenig zum Überleben darstellt, streiten sich deren Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Bernie Sanders lediglich über die geeignete Höhe (Team Clinton: zwölf Dollar, Team Sanders fünfzehn). Bei den Republikanern kommt eine derartige Diskussion dagegen einem Tabubruch gleich. Das ungeachtet dessen, dass ein gesetzlich garantierter Mindestlohn auf lokaler Ebene in vielen Ecken des Landes längst Realität ist. In Millionen-Metropolen wie Seattle, New York und Los Angeles haben sich die Arbeitgeber in den vergangenen paar Jahren bereits ohne viel Aufhebens an die neuen Rahmenbedingungen angepasst. (Nicht, dass die Gegner dort eine große Wahl gehabt hätten: In all diesen Städten wie in den Bundesstaaten, in denen sie liegen, regieren die Demokraten teilweise mit absoluter Mehrheit.)
Der verkappte Liberale
Was wiederum in jenes Narrativ hineinspielt, das die Gegner Trumps in den vergangenen Monaten so stetig wie erfolglos an den konservativen Mann und die rechte Frau bringen wollten: dass der New Yorker Immobilien-Magnat in Wahrheit ein verkappter Liberaler sei, der keinerlei Interesse an der republikanischen Kern-Agenda habe und die Partei nur für seine Zwecke ausnutzen wolle. Diese Woche findet diesbezüglich das vielleicht wichtigste aller Treffen statt, die Trump je mit einem Mitglied des republikanischen Establishments haben wird. Der 69-Jährige wird sich mit Paul Ryan treffen, dem Sprecher des Repräsentantenhauses und ehemaligen Vizepräsidentschaftskandidaten. Ryan galt einst als rechter Chefideologe, einer, der die sozialdarwinistische Schwulstprosa von Ayn Rand am Nachtkastl liegen hat und Ronald Reagan verehrt wie neapolitanische Fußballfans bis heute Diego Maradona.
In den vergangenen paar Jahren hat sich der Berufspolitiker - sehr zum Missfallen der immer stärker werdenden Tea-Party-Fraktion im Kongress - einen Namen als Pragmatiker gemacht, der eher an realpolitischen Lösungen interessiert ist als daran, die reine Lehre zu verbreiten. Diese prinzipielle ideologische Flexibilität könnte ihm in der jetzigen Situation zupasskommen; aber zu weit treiben darf er es nicht, will er die auch ohne Trump schon offensichtlichen Spannungen zwischen den Fraktionen innerhalb der eigenen Partei nicht auf die Spitze treiben. Und nicht zuletzt muss er auf seine Autorität achten: Im Wahlkampf hat Trump genug bewiesen, was er mit Leuten macht, die ihm im Weg stehen.
Gewinnen - trotz der Partei
Seinen letzten Warnschuss in diesem Zusammenhang feuerte er am frühen Montagmorgen ab, wie gewohnt per Twitter: "Ich werde die Wahl gegen die korrupte Hillary Clinton trotz jener selbstsüchtigen Leute in der republikanischen Partei gewinnen, die sich derzeit gegen mich stellen."