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Der Missbrauch war keine "Gaudi"

Von Reinhard Gutmann

Gastkommentare

Replik auf den Gastkommentar von Haimo L. Handl "Kinderschändergaudi und die große Hatz" zum Thema Missbrauch vom 25. März 2010.


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Fassungslos habe ich - selbst ein Missbrauchsopfer - den Gastkommentar von Haimo L. Handl gelesen. Dieser Kommentar ist eine ungeheuerliche Beleidigung von uns Opfern und eine maßlose Unverschämtheit.

Der Autor nennt seine Formulierung "Kinderschändergaudi" eine "satirische Überspitzung". Das Problem von Meinen und Sagen sollte er kennen. Das faktisch Gesagte zählt, und das Meinen kann als beliebige Ausrede verwendet werden. Die Wortwahl von Handl ist einfach untragbar! Für uns physisch und psychisch zerstörte Kinder war das keine "Gaudi"! Diese weltweite Affäre ist keine Spielwiese für vermeintliche intellektuelle Brillanz oder pseudowissenschaftliche Ego-Profilierung, sondern eines der größten systematischen Verbrechen der Nachkriegszeit.

Wenn der Autor des Gastkommentars in Psychologie dilettiert, sage ich ihm im Namen aller Fachleute und überwältigender eigener Erfahrung: Opfer solchen Missbrauchs bleiben lebenslang Geschädigte und mussten jahrzehntelang erleben, dass sie nicht gehört wurden. Die katholische Kirche, erfahren in solchen Dingen, mauert bis zuletzt, und die Wahrheit muss ihr scheibchenweise abgerungen werden.

Wer von derartigen Verbrechen weiß und sie verschweigt, ja durch Versetzung noch weiter begünstigt, ist Mittäter! Und der Kreis weitet sich immer mehr bis hinauf zum Papst in Rom. Die verzweifelten Bemühungen, der Wahrheit und Gerechtigkeit endlich zum Durchbruch zu verhelfen, mit nazistischen Unrechtssprechern und Bolschewiki zu vergleichen, wie dies Handl in seinem Kommentar getan hat, ist unfassbar und kann nur einem kranken Gehirn entspringen.

Im Namen aller Opfer verwahre ich mich gegen eine solche Infamie und fordere Handl zu einer Entschuldigung auf. Seine gesamte Argumentation geht völlig an der Sachlage vorbei und zeigt eine eindeutige Tendenz, die Täter in Schutz zu nehmen.

Er macht sich dadurch zum Handlanger der katholischen Kirche, die in ihrer zweitausendjährigen (wissenschaftlich-historisch bewiesenen) Gewalt-, Blut-, Folter- und Mordgeschichte schon immer auf die persönliche Diffamierung der anderen setzte, um die Wahrheit zu verschleiern.

Falls es sein Ego-Trip noch zulässt, sollte er sich für diese unglaubliche Entgleisung schämen, die ein Schlag ins Gesicht von uns Missbrauchsopfern darstellt.

Reinhard Gutmann ist Pensionist und Autor von Büchern über fernöstliche Philosophie.