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Der Möchtegern-Macher

Von Alexander Dworzak

Politik

Italiens Premier Renzi will beim EU-Beschäftigungsgipfel in Mailand Stärke demonstrieren.


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Mailand/Wien. Matteo Renzi gibt gerne den juvenilen Tausendsassa. Mit seinen nur 39 Jahren hat der italienische Premier dafür gute Voraussetzungen, schließlich genießt er eine Sonderstellung in einem Land, das sonst eher graumelierte Spitzenpolitiker kennt. Und innerhalb der EU ist mit dem estnischen Regierungschef Taavi Roivas nur ein Amtskollege Renzis jünger. Insofern ist die Inszenierung stimmig, die Renzi beim EU-Beschäftigungsgipfel am Mittwoch in Mailand bot: Seht her, Jugendliche, ich lasse Euch nicht im Stich, war seine Botschaft.

Tatsächlich ist Hilfe für die 15- bis 24-Jährigen bitter nötig, schließlich sind EU-weit knapp fünf Millionen von ihnen ohne Job oder Lehrstelle. Zu dieser besorgniserregend hohen Zahl trägt auch Italien maßgebend bei. 44 Prozent der Jungen haben keine Beschäftigung; lediglich in Spanien (53,7 Prozent), Griechenland (51,5 Prozent) sind es gemessen an der Einwohnerzahl noch mehr. In der gesamten Union sucht jeder fünfte Jugendliche eine Stelle.

Renzi, der Beschäftigung in den Mittelpunkt der italienischen Ratspräsidentschaft gestellt hat, ist also gefordert. Dabei sind gerade in seinem Heimatland die Voraussetzungen schlecht: Die Stellen von zwei Drittel der Arbeitnehmer gelten als prekär. Renzi versucht Bewegung in den Arbeitsmarkt zu bringen, indem er den Kündigungsschutz lockern will. So soll eine seit den 1970ern geltende Regelung aufgeweicht werden, die Arbeitern in Unternehmen mit über 15 Mitarbeitern einen besonders starken Kündigungsschutz ermöglicht. Zudem plant Renzi, dass Zeitarbeitsverträge auf bis zu drei Jahre ausgedehnt und Personen in den ersten drei Jahren ab Anstellung ohne Gründe entlassen werden können.

Tausende Menschen gingen gleichzeitig mit dem Gipfel in Mailand gegen die Reform auf die Straße. Auch im Senat gab es Tumulte. Beirren ließ sich der Premier davon nicht: Es galt als sicher, dass die Abstimmung (nach Redaktionsschluss) zu Renzis Gunsten ausgeht.

Patentrezept Vertrauensvotum

Nicht zum ersten Mal verknüpft Renzi heikle Themen mit einem Vertrauensvotum, um die Reihen seines sozialdemokratischen Partido Democratico zu schließen und Kritiker auf Linie zu bringen. Bereits im April überstand der Florentiner eine Abstimmung zu Änderungen auf dem Arbeitsmarkt. Zentrale Punkte waren damals die Lockerung für befristete Arbeitsverträge und befristete Leiharbeitsverträge. Bei befristeten Arbeitsverträgen ist seitdem keine Begründung für die Befristung mehr erforderlich. Wirkung zeigte die Reform bisher nicht, die Gesamt-Arbeitslosigkeit liegt weiterhin bei rund 12,5 Prozent. Zum Vergleich: Vor Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 waren in Italien nur 6,5 Prozent ohne Job.

Altbekannte Fronten

In der EU-Kommission und in Deutschland wird weniger Renzis Symbolpolitik kritisch beäugt als sein Aushebeln der Maastricht-Kriterien. Italiens Premier will im Einklang mit Frankreich mehr als drei Prozent des BIP pro Jahr Schulden machen und die Wirtschaft mit öffentlichen Investitionen ankurbeln. Frankreichs Präsident François Hollande plädierte nun in Mailand für mehr Geld im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, während Deutschland auf eine bessere Ausschöpfung bestehender Mittel pochte.