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Der Motor brummt wieder

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Ist die Wirtschaft wieder in Ordnung? Es sieht so aus, wenn man nach dem Verhalten der Investoren geht. Aber ein weiterer Schock ist nicht ausgeschlossen.


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"Wir haben Probleme mit der Zündung. Wie können wir jetzt wieder in Fahrt kommen?" John Maynard Keynes verglich im Dezember 1930 das Stagnieren der Wirtschaft mit einer Autopanne. Keine Angst, schrieb er, das Vehikel werde wieder in Bewegung kommen, "wir müssen nicht davon ausgehen, dass es mit dem Autofahren nun vorbei ist".

Viele Investoren verhalten sich, als ob die von Keynes beschriebenen Probleme mit der Zündung schon behoben wären. Sie fühlen die Lebensgeister zurückkehren, und die Börsenkurse klettern in die Höhe. Auch die Kommentare von Finanzanalysten fallen wieder optimistisch aus. Ist der Wirtschaftsmotor aber wirklich wieder in Ordnung?

Wie Keynes zu dieser Frage wohl bemerkt haben würde, ist das zum Teil Auffassungssache. Wenn die Investoren davon überzeugt sind, dass nun alles wieder bestens ist, und aufgrund dieser Annahme investieren, wird sich eine positive Entwicklung durchsetzen: Das Wachstum wird sich beschleunigen, mehr Arbeitsplätze werden geschaffen, mehr Firmen gegründet, es wird weniger Arbeitslose geben und mehr konsumiert werden, und schließlich haben wir wieder den totalen Wohlstand.

In seinem Essay "The Great Slump of 1930" ("Die große Krise von 1930") formulierte Keynes es folgendermaßen: Der wirtschaftliche Rückgang wurde "aus psychologischen Gründen wahrscheinlich etwas übertrieben". Die Rückkehr von Zuversicht und Vertrauen ist laut Keynes der Schlüssel zu einer wirklichen Erholung, "teils, weil Kreditgeber dann leichter Kredite vergeben, teils, weil die Stimmung bei den Kreditnehmern steigt und sie daher wieder Kredite aufnehmen wollen".

US-Notenbankchef Ben Bernanke hat sich Keynes Psychologie zu eigen gemacht. Das hilft, sein umstrittenes Experiment mit der als "Quantitative Easing" bekannten Finanzstrategie besser zu verstehen. Sein Ziel war, die Erwartungen der Investoren zu beeinflussen, um letztlich die zugrundeliegende Wirklichkeit zu ändern.

Indem er im Herbst Staatsanleihen im Wert von 600 Milliarden Dollar kaufte (und dadurch die Wirtschaft mit druckfrischem Geld überschwemmte), hoffte Bernanke, Geld so billig zu machen, dass Investoren einfach nicht widerstehen könnten, Aktien zu kaufen. Und bisher verdient Bernanke für diese vertrauensbildende Aktion gute Noten.

Abgesehen von den Börsendaten gibt es auch in der realen Wirtschaft Zeichen einer Besserung. Und auch das Bankensystem scheint nun endlich stabiler zu sein. Was könnte bei einem so schönen Bild noch schiefgehen? Beinah alles, wenn man bedenkt, dass es lediglich aus Annahmen über die Zukunft besteht. Die Wirtschaft ist noch immer fragil und anfällig für einen weiteren Schock.

Das beste Zeichen, dass der wirtschaftliche Motor tatsächlich wieder funktioniert, wäre ein gemeinsamer Plan von Weißem Haus und Kongress, das Budgetdefizit der USA in den kommenden zehn Jahren zurechtzustutzen. Bestehen müsste solch ein langfristiges Programm unter anderem aus Reform und Vereinfachung des Steuersystems und Kürzungen bei den Militärausgaben.

Am Schluss seines Essays von 1930 schreibt Keynes, dass die jeweilige politische Führung, "gleich gesinnt und kooperierend, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die Maschine wieder in Gang bringen kann, wenn, das muss gesagt werden, sie von einer sicheren Überzeugung beflügelt wird, was genau falsch gelaufen ist".

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".