Ein Jahr nach der Euro-Einführung sind noch immer Schillingrestbestände im Wert von rund 940 Mill. Euro im Umlauf. Dieser Umstand schlägt sich unter anderem in den täglichen Kundenzahlen in der Wechselstelle der Oesterreichischen Nationalbank nieder. Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" in der verschneiten Garnisongasse 15, Wien-Alsergrund.
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"In den Weihnachtsferien hätten's kommen müssen, da war ein Massenansturm," meint der Portier in der Wechselstelle. Doch auch an diesem verschneiten Vormittag wagen trotz unwirtlicher -6°C nicht wenige den Gang zur Nationalbank, um ihre letzten (oder doch erst vorletzten?) Schillinge in Euros umzutauschen:
Ein Pensionist, den Schal bis zur Nase hochgezogen, betritt mit elf Tausendschillingscheinen - einst auch als "Mozart" bekannt - das Foyer: "Das hat meine Tochter beim Zusammenräumen in einer Abrechnung gefunden - ein kleines Wunder." Es treffe sich gut, denn "letzte Woche ist ihre Tiefkühltruhe im Wert von 13.000 Schilling eingegangen." Er sei gespannt, was seine Tochter wohl sonst noch finden werde, grinst der Mittsechziger - sie kann sich jedenfalls bei der Suche Zeit lassen, denn der Umtausch von Schilling-Beständen der letzten Serie ist bei der Nationalbank zeitlich unbefristet möglich.
Wahre Schätze birgt das prall gefüllte Sackerl in der Hand einer reiferen Dame: "Lauter Silbermünzen, die ich zuerst behalten wollte. Aber meine Bank hat gemeint, das zahlt sich gar nicht aus." Nun wechselt sie gut 50.000 Schilling in Euros um. "Ein paar besonders schöne Stücke hab ich aber eh aufgehoben." Der wehmütige Blick zu den Münzen auf dem Schaltertisch verrät, wie schwer ihr die Trennung fällt.
Geradezu bescheiden nehmen sich die 650 S eines gepflegten jungen Mannes in "Sacher"-Dienstkleidung aus: "Die hat uns vorhin ein Gast als Trinkgeld gegeben. Er meinte, er habe keine Verwendung dafür, und das Wechseln sei ihm zu mühsam." Den Kellner stört's nicht. Hastig steckt er die ausgehändigten Eurobanknoten ein und kämpft sich durch das dichte Schneegestöber zum Hotel zurück.
Mehrere 1.000 Euro am Tag
Rund 940 Mill. Euro, die sich in Form von Schillingscheinen und -münzen in Privatdepots verstecken dürften, sind bei der Nationalbank noch ausständig. Allerdings wurden besonders um den Jahreswechsel pro Tag rund 1.000 Transaktionen mit Beträgen zwischen 200 und 1.000 Schilling getätigt - an nur zwei Kassen. Die großen Summen kommen vor allem vom Gewerbe, während den Löwenanteil zufällig gefundene Kleinbeträge ausmachen.