Die Hälfte der Arbeitslosen hat weniger als 2200 Euro Vermögen. Das zeigt eine Auswertung von Vermögensdaten.
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Wien. Mit einem "Arbeitslosengeld neu" plant die ÖVP-FPÖ-Regierung, die Notstandshilfe aufzulösen. Nach einem zunehmend sinkenden Arbeitslosengeld landen Menschen, die noch keine Arbeit gefunden haben, demnach direkt in der Mindestsicherung. Die Regierung will sich mit dem Vorlegen des Modells bis zum Jahresende Zeit lassen.
Klar ist aber bereits: Bei Mindestsicherungsbeziehenden greift der Staat auf Vermögen zu, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ab Freigrenzen zwischen 4200 und 4315 Euro. Und auch bei Arbeitslosen wollen ÖVP und FPÖ künftig auf das Vermögen zugreifen - zumindest bei jenen, die sich "durchschummeln" wollen, wie Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem der Pressefoyers nach dem Ministerrat klarzustellen versuchten.
Gibt es die arbeitslosen Millionäre?
Ungeklärt blieb die Frage, wie viel Vermögen Arbeitslose überhaupt haben. Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner brachte in einem Interview mit dem "Standard" eine "arbeitslose Akademikerin, die Leistungen bezieht, obwohl sie drei Eigentumswohnungen geschenkt bekommen hat und davon gut leben könnte", als Beispiel. Auch Burgenlands Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) stellte vor Journalisten die Frage in den Raum: "Wenn jemand Millionär ist und sich in die Arbeitslosigkeit schummelt und trotzdem vom AMS Geld bekommt, obwohl er Millionär ist, ist das in Ordnung?"
Matthias Schnetzer, Experte für Verteilungsfragen in der Arbeiterkammer Wien und Lektor an der Wiener Wirtschaftsuniversität, wertete die Daten aus der Vermögenserhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) neu aus und bringt damit etwas Licht ins Dunkel der Vermögen von Arbeitslosen.
50 Prozent haben wenigerals 2200 Euro Vermögen
Das Nettovermögen - das ist der Wert, der von Geldvermögen und anderen Besitztümern nach Abzug von Schulden bleibt - von 50 Prozent der Arbeitslosen liegt unter 2200 Euro, von den anderen 50 Prozent darüber. Die reichsten zehn Prozent der Arbeitslosen haben zwar ein Vermögen von durchschnittlich 273.000 Euro. Diesen stehen aber zehn Prozent am anderen Ende der Skala gegenüber, die Schulden von rund 50.000 Euro haben. Das durchschnittliche Vermögen eines Arbeitslosen liegt folglich bei 40.000 Euro.
"Die arbeitslosen Millionäre gibt es so nicht. Wenn, dann trifft der Zugriff auf Vermögen die Mittelschicht, die sich etwas erspart hat - und dann arbeitslos geworden ist", schließt Schnetzer daraus. Mangels Besitz wohnt die Mehrheit der Arbeitslosen in Mietwohnungen. Weniger als die Hälfte hat ein Auto. Wenn doch, dann ist dieses im Durchschnitt 6000 Euro wert. Auch das Finanzvermögen ist sehr gering: Die Hälfte der Arbeitslosen konnte weniger als 1100 Euro als Notgroschen auf die Seite legen.
Während der Arbeitslosigkeit wird Vermögen verbraucht
Außerdem stellt der Ökonom fest: "Arbeitslose haben ein deutlich geringeres Nettovermögen als Selbständige oder unselbständig Beschäftigte." Die Gründe dafür: Einerseits landen Menschen mit schlechter Ausbildung laut Studien des AMS häufiger in unsicherer Arbeit. Diese zeichnet sich nicht nur durch schlechtere Bezahlung, sondern auch häufigere Arbeitslosigkeit aus. Viele der Arbeitslosen hatten also schon vor der Arbeitslosigkeit weniger Chance, Vermögen anzusparen.
Ein zweiter Grund dafür ist, dass die Ausgaben vieler Arbeitsloser höher sind als das Arbeitslosengeld. Einen Hinweis darauf geben die Konsumerhebungen der Statistik Austria. Diese zeigen, dass das so bei Haushalten mit Sozialleistungen als Haupteinkommen ist. Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen, werden nicht extra ausgewiesen. Arbeitslose greifen also ohnehin auf das wenige Vermögen zu und brauchen es privat auf - ganz unabhängig davon, ob der Staat noch zusätzlich zugreift.
Der Median des Nettovermögens bei unselbständig Beschäftigten ist also deutlich höher als jener der Arbeitslosen. Er liegt bei 59.000 Euro, 50 Prozent haben demnach mehr, die anderen 50 Prozent aber weniger Vermögen. Bei Selbständigen liegt der Median den Daten der OeNB-Vermögenserhebung zufolge bei 376.000 Euro. Weil sich Vermögen jeweils bei den Reichsten konzentriert, liegt das durchschnittliche Vermögen von Unselbständigen bei 192.000 Euro und bei Selbständigen - hier ist auch das Vermögen des Unternehmens inkludiert - bei 1.047.000 Euro, also mehr als einer Million Euro.
"Eine Arbeitslose mit drei Eigentumswohnungen, so es sie denn gibt, ist ein grober statistischer Ausreißer", schließt Schnetzer daraus. Und gibt der Regierung eine Frage mit auf den Weg: "Weshalb wird nun über das Vermögen von Langzeitarbeitslosen, also Menschen in ohnehin schwierigen Lebenssituationen, debattiert und nicht über eine Millionärssteuer?"