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Das tolle Wirtschaftswachstum 2018 verschleiert die enormen Risiken, die den Wohlstand vor allem der Europäer massiv bedrohen.
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Wenn auf dem Höhepunkt einer ausgelassenen und alkoholschwangeren Party einer aufsteht und vor dem schmerzhaften Kater am nächsten Tag warnt, nicht ohne dabei sauertöpfisch auf die Gefahren des Alkoholkonsums an sich hinzuweisen, wird dieser Spaßverderber sich damit wohl eher wenig neue Freunde schaffen. Was freilich nicht heißen muss, dass die Warnungen nicht eine gewisse Berechtigung haben. Europas wirtschaftliche Lage ähnelt derzeit, was die wichtigsten Kennzahlen anlangt, einer solchen Party: Wachstum, Jobs, Konsumlaune - alles total im grünen Bereich, und zwar so deutlich wie schon lange nicht.
Deshalb ist es auch nicht sonderlich beliebt, besonders unter Ökonomen, auf den möglicherweise ziemlich unerfreulichen und schmerzhaften "Morgen danach" hinzuweisen, der möglicherweise immer näherkommt.
Denn trotz der freundlichen Wirtschaftswerte blinken ganz schön viele rote Warnlichter auf.
Ob das Beben an den Börsen zu Wochenbeginn nur ein eher harmloser Rumpler war oder Vorbote eines neuen Crashs auf den Finanzmärkten, kann naturgemäß niemand wissen. Aber nach fast zehn Jahren des allgemeinen Aufschwungs (seit 2008) ist es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder kracht. Die Frage ist nicht ob, sondern bloß wann.
Und dann? Dem Lehrbuch folgend, senken die Notenbanken in so einer Krise die Zinsen schlagartig - und pumpen frisch gedrucktes Geld in die Volkswirtschaft.
Doch die Europäische Zentralbank (EZB) wird weder das eine noch das andere tun können. Bei einem Zinssatz von null bleibt nichts zu senken übrig, und zusätzliches Geld druckt die EZB seit Jahr und Tag. Sie hat ihr Pulver in Wahrheit bereits weitgehend verschossen und steht der nächsten Krise - die schon morgen hochpoppen könnte - unbewaffnet gegenüber. Das ist eine nur mäßig erbauliche Vorstellung.
Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass sich die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone in den vergangenen zehn Jahren nicht etwa verringert, sondern sogar noch verstärkt haben. Ist etwa die Wirtschaftskraft Deutschlands in diesem Zeitraum um rund 12 Prozent gestiegen, so hat sich die Italiens um 7 Prozent verringert - der Abstand ist also deutlich größer geworden. Jene Zeit, die die EZB den Politikern Europas geschenkt hat, um dieses Problem in den Griff zu kriegen, wurde von diesen, wie zu erwarten war, kaum genutzt.
Dazu kommt, dass die Verschuldung der Eurozone im vergangenen Jahrzehnt - entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben vom "Spardiktat" bemerkenswert drastisch erhöht hat: in Italien um 31 Prozentpunkte, in Spanien um 60, in Portugal um 54 und in Frankreich um 29 gegenüber dem Pegelstand bei Ausbruch der Lehman-Krise 2008. Auf eine neuerliche Krise mit höheren Schulden zu reagieren, dürfte da nicht so einfach werden.
Weitgehend ungelöst geblieben ist auch das Problem, dass die südlichen EU-Staaten noch immer nicht ausreichend wettbewerbsfähig sind, weil der Euro zu stark für sie ist.
All das wird derzeit von den günstigen Wachstumszahlen überdeckt - aber leider beim nächsten Crash die Probleme noch dramatischer werden lassen. Und dieser Kater dürfte dann ganz schön schmerzhaft werden.